Kanäle in Schleswig-Holstein – Die Geschichte des Nord-Ostsee-Kanal
Quer durch Schleswig-Holstein verläuft der Nord-Ostsee-Kanal und verbindet die Nordsee mit der Ostsee. Ohne eine solche Wasserstraße müssten Schiffe einen enormen Umweg über die dänische Nordspitze Skagen machen. Wenn also ein schiff von Hamburg nach Kiel wollte, war der Weg über das Wasser sehr weit.
Grund genug, dass man sich schon früh Gedanken machte, eine schnellere Verbindung mitten durch das Land zu suchen und so beginnt die Geschichte mit der Entstehung des Nord-Ostsee-Kanal.
Die Zeit vor dem Nord-Ostsee-Kanal
Wir müssen uns in eine Zeit hinein versetzen, in der es weder Dampfantriebe noch ein zusammenhängendes Straßennetz gab. Mit Segelbooten oder getreidelten Schuten wurden Waren über die kleineren und größeren Flüsse zu den Häfen transportiert. Vor allem die Eider diente als wichtigste Transportverbindung, um Waren von der Ostsee beispielsweise nach Hamburg zu transportieren.
Doch die Boote wurden immer größer und waren einzig durch die Dimensionen der Flüsse eingeschränkt. Schleswig-Holstein, welches damals unter der Verwaltung Dänemarks stand, sollte eine moderne Wasserstraße bekommen.
Und so begann unter der Führung des dänischen König Christian im Jahr 1777 der Bau des Schleswig-Holstein-Kanal. Nach siebenjähriger Bauzeit eröffnete König Christian die erste durchgehende Wasserstraße zwischen Nord- und Ostsee. Kein Umladen für kurze Landwege war mehr erforderlich.
Startpunkt war das heutige Kiel-Holtenau am Alten Packhaus. Der Schleswig-Holstein-Kanal, auch Eider-Kanal genannt, verlief bis nach Rendsburg zum alten Packhaus. Hier mündete der Eider-Kanal in die Eider, die von Rendsburg bis Tönning seit jeher gut schiffbar war. Allein für die Bewältigung der Höhenunterschiede wurden sechs Schleusen errichtet. Die erste durchgehende Wasserstraße zwischen Ost- und Nordsee war in Betrieb und damit der Vorläufer des Nord-Ostsee-Kanal.
Die Entstehung des Kaiser-Wilhelm-Kanal (Nord-Ostsee-Kanal)
Die industrielle Revolution veränderte alles. Bisheriges war zu aufwendig und zu langsam, die ersten Dampfschiffe lösten die Segelschiffe ab. Und damit war es weniger gefährlich, den Umweg über die anspruchsvollen Gewässer um Skagen herum zu nehmen. Auch der Zeitvorteil durch den Eider-Kanal ging verloren. Der Schleswig-Holstein-Kanal (Eider-Kanal) war schlicht und ergreifend nicht mehr konkurrenzfähig.
Im Jahr 1864 verlor Dänemark Schleswig-Holstein, Preußen hatte nun das Sagen. Und so suchte man auf einmal die Möglichkeit, auch die in Marine vom Standort Wilhelmshaven an der Nordsee möglichst schnell mit der Marine in Kiel verbinden zu können. Dies war vor allem ein Anliegen des Reichskanzlers Otto von Bismarck.
Nun entstanden auch die ersten militärischen Dampfboote, deren Entwicklung in Größe und Kampfkraft enorm fortschritt.
Also sollte eine neue Verbindung her zwischen Nord- und Ostsee, also ein Nord-Ostsee-Kanal möglichst entlang der alten Linienführung des Eider-Kanal.
Am 3. Juni 1887 wurde der Grundstein gelegt für den zukünftigen Kaiser-Wilhelm-Kanal oder Nord-Ostsee-Kanal, wie er von beginn an ebenso oft bezeichnet wurde. Doch bei der Grundsteinlegung brach der Spaten durch. Kein gutes Omen für Abergläubige und Kritiker. Aber ein Ersatzspaten war zu Hand und das unvorstellbare Projekt konnte beginnen.
Fortan gruben 9.000 Arbeiter einen durchgehenden Graben von 67 Meter Breite und neun Meter Tiefe.
Sie bewegten 80 Mio. m³ Erdreich, bauten je eine Doppelschleuse in Brunsbüttel und Holtenau („Kleine Schleusen“), zwei Hochbrücken, sechs drehbare Brücken und Anleger für 16 Fähren.
Entlang der Trasse des Nord-Ostsee-Kanal verlegte man Eisenbahnschienen. Darauf fuhren die Güterzüge den Boden der ebenso auf Schienen fahrenden Eimer-Kettenbagger ab, für die Zeit eine revolutionäre Baumaschinentechnik.
In Kiel-Holstenau und in Brunsbüttel entstand jeweils eine Doppelschleuse als Ein- und Ausfahrt des Nord-Ostsee-Kanal, heute als „Kleine Schleusen“ bezeichnet.
Aber es gab auch tragische Unglücke in der aufwendigen Bauphase des Nord-Ostsee-Kanal. Arbeiter stürzten von Gerüsten der Brückenneubauten oder wurden von fallenden Gegenständen erschlagen. Auch Cholera brach aus, konnte aber glücklicherweise eingedämmt werden.
Kleine Dörfer wurden durchtrennt oder mussten komplett verlegt werden, Gutshöfe wurden auseinander gerissen, die Landschaft völlig verändert.
Die Fertigstellung verlief nach Plan, nach nur acht Jahren Bauzeit konnte der Nord-Ostsee-Kanal innerhalb des kalkulierten Kostenrahmens realisiert werden.
Das allerdings war schon sehr viel Geld. Denn der Bau des Nord-Ostsee-Kanal verschlang 156 Millionen Goldmark. Und die mussten finanziert werden. So verfügte Kaiser Wilhelm die rückwirkende Einführung der Schaumweinsteuer.
Ab dem 20.Juni 1895 wurde drei Tage pompös gefeiert, Kaiser Wilhelm II, der Enkel des Kaisers, der den Bau genehmigte, reiste persönlich an, um in Kiel den Schlussstein zu legen. Und er taufte den Nord-Ostsee-Kanal. Zur Überraschung aller taufte der ihn auf den Namen „Kaiser-Wilhelm-Kanal“.
Der eigentliche Verkehr auf dem Nord-Ostsee-Kanal startete am 1. Juli 1895.
Die erste Erweiterung des Nord-Ostsee-Kanal
Die Entwicklung in der Schiffstechnik ging rasant voran. Die Schiffe wurden immer größer, immer breiter und tiefer und auch immer schneller. Das man zudem 13 Stunden für eine Passage benötigte, war viel zu lang. Bereits in den ersten zehn Jahren nach Inbetriebnahme war der Nord-Ostsee-Kanal zu klein geworden. Und so kam es in den Jahren 1907 bis 1914 zur ersten großen Erweiterung des Nord-Ostsee-Kanal.
Der Nord-Ostsee-Kanal wurde nun durchgehend auf 103 Meter verbreitert und auf durchgehend 11 Meter vertieft. An den Ein- und Ausfahrten in Brunsbüttel und Kiel-Holtenau entstanden die größten Schleusen der Welt. Sie verfügten nun über eine Länge von 310 Meter und einer Breite von 42 Meter. Im Vergleich dazu hatten die kleinen Schleusen eine Länge von 125 Meter und eine Breite von 22 Meter.
Drei Hochbrücken und eine Drehbrücke wurden neu gebaut. An dieser Erweiterung des Nord-Ostsee-Kanal arbeiteten 12.000 Menschen, gekostet hat das Ganze 242 Millionen Reichsmark. Damit lag die Summe der Erweiterung deutlich höher als der grundlegende Bau des Nord-Ostsee-Kanal.
Der Nord-Ostsee-Kanal in Zeiten der beiden Weltkriege
Der erste Weltkrieg verlief, was die Unterhaltung des Nord-Ostsee-Kanal betraf, fast unbemerkt. Sicherlich war es der Nord-Ostsee-Kanal, der Einfluss auf den Verlauf des Matrosenaufstandes in Wilhelmshafen und Kiel hatte.
Aber auch der Zweite Weltkrieg hinterließ keine Zerstörung am Nord-Ostsee-Kanal. Zu gefährlich währe es hier für die Alliierten gewesen, Kriegsschiffe anzugreifen. Im Rahmen von Kriegshandlungen gesunkene Schiffe wurden umgehend aus dem Nord-Ostsee-Kanal geborgen.
Um das strategische Potential wusste Winston Churchill bereits zur Zeit der Machtübernahme des Adolf Hitler. Am 29. Oktober 1938 sandte Churchill obwohl zu jener Zeit noch nicht in der Politik, eine Notiz an den amtierenden Verteidigungsminister, in der er forderte, die Funktionsfähigkeit des Nord-Ostsee-Kanal durch Seeminen oder gezielten Bombenangriffe zu zerstören. Zu groß war seine Sorge, dass die deutsche Marine ohne Hindernisse in die Gebiete der Royal Navy vordringen konnte.
Nach dem Zeiten Weltkrieg ordneten die Siegermächte eine Umbenennung des „Kaiser-Wilhelm-Kanal“ nun offiziell in „Nord-Ostsee-Kanal“ an. International wird der Nord-Ostsee-Kanal als „Kiel Canal“ bezeichnet.
Erst ab 1965 startete die nächste Ausbaustufe, die bis heute anhält.
Der Nord-Ostsee-Kanal wird aber nicht mehr als 1,50 Meter zusätzlich vertieft werden können, da in Rendsburg ein Fußgänger- und ein Straßentunnel unter dem Nord-Ostsee-Kanal verlaufen.
Wir danken dem WSA Kiel-Holtenau für das Zur Verfügung stellen der historischen Bilder dieser Seite und die zahlreichen Informationen.
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