Äskults By – Geschichte eines Bauerndorfes jenseits von Schwedenrot

Südlich von Göteburg und nahe von Kungsbacka entdecken wir einige spannende und eher unbekannte Sehenswürdigkeiten. Etwas abgelegen liegt das fast vergessene Bauerndorf Äskhults By. Hier stoßen wir auf die Geschichte eines nunmehr unbewohnten Dorfes, die uns die andere Seite von unserem verklären „typisch schwedisch“ offenbart.

Äskhults By – Abbiegen. Ankommen. Bleiben.

Äskhults By ist ein kleines ablegenes Dorf auf einem kleinen Berghügel zwischen Kungsbacka und Åsa im schwedischen Halland. Bewohnt ist es schon lange nicht mehr. Und fast wäre auch Gras über seine Geschichte gewachsen. Hätte es nicht einen Menschen gegeben, der sie bewahren wollte. Er hat bis zuletzt und zum Schluss als einziger Mensch in Äskhults By gelebt. Und sich darfür stark gemacht, dass Äskhults By für die Nachwelt erhalten bleibt.

Äskhults By – Ein Dorf. Vier Höfe. Vier Geschichten.

In Äskhults By gab es vier Höfe, deren Besitzer in einem gerichtlichen Dokument in Kungsbacka im 17. Jahrhundert eingetragen wurden.

In der Mitte des kleinen Dorfes legte man einen lehmigen Platz an und baute die Höfe Bengts, Derras, Jönsas und Göttas rund herum. Insgesamt entstanden 11 Gebäude. Ihre Gärten sind bis heute von typisch småländischen Zäunen und Steinmauern eingefasst.
Kreuzförmig führen heute wie damals schmale Wege durch Äskhults By, die sich am Dorfplatz schneiden. In jeden Viertel dieses Straßenkreuzes liegt ein Hof mit entsprechenden Land.
Zu jeden Hof gehörten fünf bis sechs Morgen Land. Vor allem wurden  Faserflachs, Schwarzhafer, Korn und Frühlingsroggen angebaut. Als Tierfutter nutzte man gerne das Laub der Eschenwälder.

Der Anbau des Flachs brachte den größten Gewinn in Äskhults By, denn die Bauern sponnen ihn selbst und ihre Frauen webten daraus  mit eigenen Webstühlen Textilien und kleine Teppiche. Diese Produkte kamen auf die Märkte der Umgebung.

Bengt Pehrsson und sein Hof Bengts in Älskhults By

Doch wer war der Mensch Bengt Pehrsson, der sich hier in Älskhults By niedergelassen hatte? Wer waren überhaupt die Menschen, die hier in Älskhults By lebten? Und wie lebten sie?

Der Hof von Bengt Pehrsson stammt aus dem Jahr 1610, Bengt Pehrsson kaufte ihn aber erst 1785. Er war Experte auf seinem Gebiet und war freier Bauer mit eigenem Land in Nord Halland.

Um 1800 war Bengt Pehrsson Mitglied im schwedischen Parlament, welches zu jener Zeit allerdings nur alle drei Jahre tagte. Bengt Pehrsson war Mitglied in einer Kommission und Berufungs- und Finanzausschüssen. Ebenso in Versorgungsausschuss und einem Ausschuss für die zivile Gesetzgebung.

Er war ebenso wie die Jönssons Laiengutachter und übernahm deren Aufgaben nach Ende deren unbeliebter und gefürchteter Ära im Dorf. Vielleicht hat Bengt Pehrsson von seinen Stockholm-Reisen so manche moderne Errungenschaft ins abgelegene Älskhults By gebracht, die man zuvor nicht kannte, vielleicht so besondere Dinge wie Kaffee oder Kartoffeln?

Bengt hatte mit seiner Frau Gunla sieben Kinder, zwei von ihnen verstarben, ohne erwachsen geworden zu sein. Vom Wohnhaus, ein Einraumhaus, welches Bengt bewohnte, ist heute noch das Fundament zu sehen.

Im Jahr 1812 wurde Bengt Witwer und blieb bis zu seinem eigenen Tod auf Älskhults By.

Der Hof

Der Hof von Bengt befindet sich im südwestlichen Teil von Älskhults By. Das Haus des Besitzers stammt aus dem Jahr 1850 und ist das jüngste Haus in Älskhults By. Es löste seinen Vorgänger ab- das alte Haus stand etwas näher am Dorfplatz. Errichtet wurde es von den sechs Enkeln des Bengt Pehrsson.

Der Hof ist mit Gras bewachsen und hat seit 1940 einen kleinen Obstgarten. Auf der südöstlichen Seite der Scheune befand sich früher ein Hühnerstall.

Die Scheune des Hofes ist das älteste Gebäude in Älskhults By und stammt aus dem 17. Jahrhundert. Während sie auf der Nordseite direkt auf dem Boden lagert, musste sie auf der abfallenden Südseite mit einem kalkwandigen Fundament unterstützt werden, welches zwischen 42 Zentimeter und 120 Zentimeter hoch ist.

Im Jahr 1902 verkaufte Petter den Hof an seinen Sohn Anders Pettersson. Der wiederum überließ das Haus seiner Tochter Albertina und ihrem Ehemann Johan August Andersson

Gottfrid Pettersson und sein Hof Derras in Älskhults By

Gottfrid Pettersson war der letzte Mieter auf dem Hof Derras in Älskhults By. Er war in den 1930er Jahren der jüngste Einwohner in Älskults By. Seine Eltern waren Petter Olsson und seiner zweiten, 33 jahre jüngeren Ehefrau Johanna Ljungren.

Der jüngere Bruder von Gottfrid, Carl, wanderte in die USA aus. Dort starb er allerdings bereits mit 24 Jahren an der spanischen Grippe.

Carl und Gottfrid hatten auch eine ältere Stiefschwester, sie hieß Mathilda. Mathilda kam als uneheliches Kind von Johanna Ljungren zur Welt, da war diese 22 Jahre alt. Aber auch Mathilda starb bereits mit 23 Jahren.

Irgendwann starb auch der Vater von Gottfrid, so betrieb Gottfrid mit seiner Mutter den Hof Derras. Doch alsbald verstarb auch seine Mutter, Gottfrid blieb allein zurück.

Von Gottfrid wird gesagt, dass er immer ein sehr freundlicher und hilfsbereiter Nachbar war, sich aber auch gerne in die Natur zurück zog. Doch er war auch bekannt für seine Erzählkünste über Kämpfe und Wildereien und für seinen ausgeprägten Dialekt.

Eine der Geschichten handelte von seiner Elchjagd. Mit einem Jagdgenossen baute er sich seine eigene Munition und ging damit auf Pirsch.  Dann schoß Gottfried auf einen Elch, doch der fiel nicht, sondern lief weiter. So musste Gottfrid ihm folgen und wieder schießen. Doch der Elch war immer noch nicht tot. Also erlegte er das Tier mit einem Jagdmesser und zerteilte es. Dann musste er es Stück für Stück nach Hause tragen, es befand sich ja immerhin auf fremden Land.

Schließlich starben die verbliebenen Einwohner in Älskhults By, Gottfried blieb als einziger Bewohner bis 1964 in diesem kleinen Bauerndorf. Dann starb auch er, mit 66 Jahren, an Tuberkulose.

Es gibt noch Menschen, die Gottfrid noch kennen. Am besten trifft man sie im Café.

Jöns Jönsson und sein Hof Jönsas in Älskhults By

Jöns Jönsson kaufte seinen Hof im Jahr 1734. Und er war ein böser Mensch. Er tyrannisierte das gesamte Älskults By. Scheinbar könnte diese Bösartigkeit etwa 100 Jahre von Generation zu Generation weitergegeben werden. Die Bewohner der anderen Höfe hatten zum Teil Todesangst vor den Jönsson und immer wieder zogen die Parteien vor Gericht.

Im Jahr 1744 betrat ein Kuhjunge zufällig unbeabsichtigt das Land der Jönssons. Der 13 jährige Sohn der Jönssons stellte daraufhin seinen Hund auf die Kuh, der sie dann stresste bis sie starb.

Der Geschädigte wagte es nicht vor Gericht zu ziehen. Aber er berichtete davon im Dorf. Immerhin hatte er ja zwei Zeugen. Das machte die Jönssons so wütend, dass sie den Geschädigten vor Gericht brachten. Immerhin machten die beiden Zeugen aus Angst keine Aussage. So musste der Geschädigte selbst die Gerichtskosten tragen

Zu dieser Zeit hatten die kleinen Dörfer ihre eigene Kirchbänke und so trug es sich im Jahr 1748 zu, dass sich die 18jährige Tochter Anna Andersdotter vom Göttas Hof in der Kirche auf dem Teil der Bank setzte, auf dem die Jönssons normalerweise Platz nahmen. Die sich überlegen fühlende Tochter der Jönssons kam und forderte das Mädchen auf zu weichen. Diese aber antwortete, für wen sie denn weichen solle und schob dabei die Jönsson-Tochter auf den Schoß ihres Sitznachbarn.

Es durfte ja nun in der Kirche nicht gekämpft werden, also verklagten die Jönssons das Mädchen vom Göttas Hof wegen Störung des Kirchenfriedens. Dabei hatte ja der Gottesdienst noch gar nicht begonnen.

Das Mädchen wurde zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, war aber schwach gewachsen und mittellos. Deswegen musste sie 16 Tage lang bei Brot und Wasser ins Gefängnis.

Der Göttas Hof

Im südöstlichen Bereich von Älskhults By liegt er Göttas Hof. In der Mitte des Hofes befindet sich das Wohnhaus. Stall, Scheune und Keller sind rund herum zu erreichen. Der Göttas Hof ist der am besten erhaltene Hof in Älskhults By und typisch für seine Zeit.

Zu seiner Anlage gehört auch eine Tischlerei und ein Holzschuppen. Das Hinterhaus hatte einst ein Torfdach, wurde aber im 19. Jahrhundert zu einem Vorderhaus umgebaut.

Die Küche wurde nur während der Sommermonate genutzt, um zu waschen, zu kochen, zu brauen und zu schlachten.

Das Ziegeldach stammt aus dem späten 19. Jahrhundert, die Vordächer wurden zu Beginn des 20. Jahrhundert hinzugefügt.

Anders Persson kaufte den Hof im Jahr 1755, als erster bekannter Besitzer wird im Jahr 1630 ein Amund Andersson genannt. Zuletzt lebten die Brüder Aron und Albin bis 1945 auf dem Hof.

Kirstin Eriksdotter

Kirstin Eriksdotter lebte in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts. Mitte des 18.Jahrhunderts wurde sie auf der Festung Älvsborg wegen Kindermordes enthauptet. Zuvor arbeitete sie als Zimmermädchen für den Forstvorsteher Jernsköld, der zugleich Vater ihres Kindes war. Aber das leugnete er und trug somit keine Verantwortung.

Kirstin kam auf dem Göttas Hof zur Welt, da war ihre Mutter schon 50 Jahre alt. Kirstin war das achte und jüngste Kind. Ihre Eltern waren Gunnila und Erich Andersson. Kirsten fand Arbeit auf einem Gutshof in Smedstorp und brachte wohl ein uneheliches Kind zur Welt. Aber niemand hatte es gesehen. Sie bestritt es auch und so kam die Polizei ins Spiel. Der zuständige Polizist brachte Kirstin auf eine Nachbarfarm und ließ ihre Brüste von  drei „vernünftigen“ Frauen „melken“.

Tatsächlich konnte sie Milch geben. Daraufhin wurde Kirstin verhaftet, sie war zu diesem Zeitpunkt 21 Jahre alt. Ihre Mutter lebte noch in Älskhult, ihr Vater war mittlerweile aber verstorben.

Zunächst bestritt sie, wurde aber mithilfe einiger Aquavit geständig. Ihr Baby brachte sie auf dem Dachboden zur Welt, aber da das Kind sehr schwach war, erstickte sie es. Die Nachgeburt verbrannte sie im Ofen der Küche, das tote Baby legte sie in den nahen Fluss.

Innerhalb des Verhörs teilte Kirstin auch auf Nachfrage den Namen des Kindsvaters Jernsköld mit, für den sie als Dienstmädchen arbeitete. Doch einer als Zeugin befragten Magd soll ein intimes Verhältnis nicht aufgefallen sein.

Zur zweiten Verhandlung kam Kirstin auf die Älsborg. Ein Soldat sagte aus, dass Jernsköld nicht der Kindesvater sein könne. Daraufhin wurde sie zum Tod durch Enthauptung und anschließender Verbrennung auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Nach damaligen Verständnis war ihr dadurch der Zugang zum Himmel verwehrt. Kirstin starb mit 23 Jahren.

Zwar versuchte man auch weiterhin, Jernsköld die Vaterschaft nachzuweisen, doch bestritt er immer wieder, sodass das Verfahren gegen ihn eingestellt wurde.

Nils Brogren

Nils Brogren aus Släp ist der Erhalt des kleinen Bauerndorfes Älskhults By zu verdanken. Für ihn war Älkshults By seine eigentliche Heimat, die er liebte. Nils Brogren lebte von 1913 bis 2012, er hat also die letzte lebendige Phase auf Älkshults By miterlebt und die Wandlung zum heutigen Museumsdorf.

Eigentlich ist Nils Brogren im benachbarten Släp geboren und aufgewachsen. Eine gewisse Anna-Lina arbeitete um 1900 für seine Eltern, später für seine Großmutter. Und offenbar konnte sie Nils Brogren mit ihrer Begeisterung für Älskhults By anstecken. Sie galt als sehr feinfühlige und nachdenkliche Frau.

Nils war das zweitjüngste von neun Kindern und Anna Lina hat ihn betreut. Mit dem Tod von Nils Großmutter im Jahr 1929 verlor Anna-Lina auch ihre Arbeit und zog zu ihrem Schwager und ihrer Nichte auf den Hof der Bengts. Als Nils im Sommer 1930 als siebzehnjähriger das Fahrrad packte, um Anna Lina in Älskhult zu besuchen, verliebte er sich in dieses Dorf. Anna Lina zeigte ihm Älskhults By und machte sie mit all seinen Bewohnern bekannt.

Nils kam immer wieder und es dauerte nicht lange, bis die Bewohner von Älskhults By ihn Anna Linas Junge nannten. Nils war so neugierig, über das Leben der Familien an diesem Ort zu erfahren und die Menschen waren so offen zu ihm, weil sie seine Begeisterung für ihre Heimat fühlten.

Dann kam das Aus für Älkshults By und Nils konnte nicht akzeptieren, dass dieses Dorf so einfach vor sich hin sterben sollte. So haben wir ihm  zu verdanken, dass durch seinen vehementen Einsatz Älkshults By heute ein lebendiges Museumsdorf ist und wir an den Geschichten der Menschen teilhaben dürfen, die hier lebten.

Aufnahmedaten

Alle Bilder dieses Artikels wurden Mitte September bei strömenden Regen mit Leica SL und Leica SL APO 2.0 / 75mm asph. aufgenommen.

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Norwegen

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