Die Strandsammlerin – eine biografische Erzählung von Sally Huband

Ich habe Lust auf die Shetland-Inseln. Also, so richtig Lust. Sind mir die Inseln doch bisher eher ein Begriff durch die kleinen Ponys, bin ich plötzlich dieser Inselgruppe zwischen Schottland und Norwegen in meiner Liebe zum Nordatlantik deutlich näher gekommen.  Die Sehnsucht geweckt hat die Auswanderin Sally Huband mit ihrer autobiografischen Erzählung „Die Strandsammlerin“. Aktuell erschienen im DuMont Reiseverlag. Natalie Pilz hat mir dieses Buch eindringlich ans Herz gelegt und für eine Rezension umgehend zugeschickt. Jetzt weiß ich, warum.

Der Nordatlantik ist uns persönlich so fremd und irgendwie doch so vertraut. In unserer direkten Nachbarschaft Menschen, die auf Grönland gelebt, auf den Färör gewandert oder vor deren Küsten gesegelt sind. Erst im letzten Monat bekam ich einen selbstgedrehten Film eines befreundeten Nachbarn über sein Leben und Arbeiten auf der US Airbase im grönländischen Thule. Selbst haben wir die karge Landschaft, das raue Klima, die Stille und Orkane des Nordatlantiks kennengerlernt, in denen wir die Kinder im Bulli gelassen haben, damit sie nicht ins eiskalte und aufgepeitschte Hafenbecken geweht werden. Selbst haben wir erlebt, wie an den einsamsten Stränden und Küsten des Nordatlantik Massen von Plastik aus der ganzen Welt angespült werden.

Genau in diese Welt zieht es mehr oder weniger unfreiwillig Sally Huband mit ihrer kleinen Familie vom ärmlichen Teil Aberdeen auf die Shetland Inseln. Für ihren neugeborenen Sohn gibt die studierte Umweltschützerin schweren Herzens ihre Karriere auf und folgt ihrem Mann, als er als junger Hubschrauberpilot für die Ölindustrie ins unwirtliche Gebiet der Shetlands soll.

Die Shetland Inseln sind wie der gesamte Nordatlantik für seine dramatischen Stürme selbst bei Einheimischen gefürchtet. Und doch lieben sie ihr Archipel, pflegen untereinander eine herzliche Gemeinschaft und sind der Natur so nahe wie nirgends anders in den klimatischen Komfortzonen. Sally Huband teilt die Furcht vor den Stürmen mit der Neugierde vor der rauen Inselschönheit und möchte sie erwandern. Doch sie wird durch ihre nun zwei Schwangerschaften ihre einstige Fitness gegen unerträgliche krankhafte Schmerzen tauschen müssen.

Sally Huband entdeckt während ihrer Strandausflüge Unmengen angespültem Müll und in deren Folge zahlreiche tote Vögel. Sie schließt sich den Strandsammlern an, welche die toten Vögel katalogisieren und die Umstände des Todes erforschen. Diese Arbeit hilft ihr über ihre durch Schwangerschaft und Krankheit entstandene Identitätskrisen hinweg und öffnet zugleich ganz neue Türen. Als kleiner Einwand- nein, das ist kein klischeehafter Kitschroman, es ist ein spannender Ausschnitt mitten aus dem Leben hoch im Norden!

Hatte Sally Huband bisher Angst vor den Stürmen, die ihr Haus wackeln und die Betten vibrieren ließen, verwandelt sich die Angst in Neugierde und eine gewisse Sehnsucht nach ihnen, kaum abwarten zu können, was diese Stürme in diesem Fall mit dem Meer an die Küsten transportieren.

Aus dem Sammeln nach Plastik und toten Tieren, aus der Neugierde nach spannenden Fundstücken wird auf einmal eine Wunschliste an das Meer nach bestimmten Dingen wie die Samen der tropischen Seebohnen. Dabei entdeckt sie, wie solche Fundstücke das Leben und die Geschichte der Menschen auf den Shetland Inseln seit Jahrhunderten prägen.

„Die Strandsammlerin“ von Sally Huband ist ein bewegendes und authentisches Buch über das gewachsene und moderne Leben mitten im Nordatlantik. Es zeigt auf nachvollziehbare und berührende Art die komplexen Zusammenhänge und Auswirkungen unserer globalen Welt auf das eigene Leben an einem der entlegendsten Flecken der Erde. Wer sich wirklich für die Shetland Inseln, für den Nordatlantik, interessiert, bekommt mit „Die Strandsammlerin“ von Sally Huband einen realen Einblick in die Seele dieser Region.  Kein Reiseführer vermag es, die einzigartige Welt der Shetlands ansatzweise so nahe zu bringen wie dieses Buch mit seinem persönlich erlebten Wissen.

  • Taschenbuch
  • DuMont Reiseverlag
  • 350 Seiten
  • 1. Auflage 2024
  • Originaltitel: Sea Bean
  • Übersetzung: Heike Schlatterer
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN 978-3-616-03281-8
  • Preis: € 18,95
P.S.zum Titelbild
Wir sind selbst Strandsammler. So haben wir echtes Treibholz aus dem Norden als Nachttisch-Ablage. Auf einer solchen liegt nun „Die Strandsammlerin“.
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