Gamleby ist auch nur ein Dorf in Schweden – Zu Besuch in der Kommune Västervik in Småland

Gamleby in der Kommune Västervik liegt im östlichen Småland und wird in manchen Reiseführern und Tourismusbroschüren hochgelobt. Damit wird Gamleby ehrlicherweise deutlich überbewertet. Wenn man aber erleben möchte, wie ein Ort in Schweden ohne touristische Künstlichkeit ganz real tickt, erlebt in Gamleby Schweden ein Stück weit pur. Wir sind einige Male im zweitgrößten Tätort /Zentralort der Kommune Västervik zu Gast. Einst war gar Västervik an dieser Stelle, eh es mit seinem Hafen 25 Kilometer weiter an die Ostküste verlegt wurde.

Gamleby, das einstige Västervik

Tatsächlich haben wir uns gefragt, warum die Tourismusinformation in Västervik diesen Zentralort so herausstellt. Da wird von der besonders schönen Straße in der Altstadt gesprochen, die wir gesucht haben, obwohl wir bereits in ihr waren. Vom malerischen Marktplatz, an denen ein paar mäßig besuchte Geschäfte und durchschnittliche Cafés trotz Midsommer fast verwaist wirken.

Vielleicht ist es diese alte Verbindung, dieser Ursprung von Västervik. Denn tatsächlich befand sich Västervik bis zum Jahr 1433 genau hier. Hier hatte es den mittelalterlichen Hafen fast am Ende des etwa 25 Kilometer langen Gamlebyviken. Vermutlich aber wurde der Handel entlang der Ostseeküste immer wichtiger und so baute man Västervil 25km südöstlich neu auf. 

Den alten Ort nannte man nun Gamla Västervik, ab dem Jahr 1455 Gambla By und später eben Gamleby. Die Spuren des alten Västervik als Stadt reichen übrigens bis ins Jahr 1275 zurück.

Leben in Gamleby

Die Geschichte erzählt, dass das heutige Gamleby ganz ursprünglich der Hof Gammelgård als Teil des Gutshofes Åby des schwedischen Königs war. 

Im 19. Jahrhundert nahm das heutige Gamleby eine  für die Region beachtliche Entwicklung hin. Und das zu einer Zeit, in der die Schweden scharenweise nach Amerika auswanderten. Die Eisenbahn wurde gebaut und  Betriebe siedelten sich an.

So kam ein großes Sägewerk nach Gamleby und wurde schnell zum größten Arbeitgeber. Doch im Jahr 1920 wurde es durch einen Großbrand völlig zerstört. Es soll ein Wunder gewesen sein, dass nicht gleich ganz Gamleby mit abgebrannt ist. 

Zwischen 1963 und 2016 bestand die Schwedische Farbenfabrik in Gamleby und entwickelte sich bis zu ihrer Schließung zum größten Arbeitgeber des Ortes. Im alten Herrenhaus von Åby wurde eine Volkshochschule eingerichtet. Dieses Gebäude ist heute eines der ältesten Bauwerke in Gamleby.

Im Hafen befindet sich nich heute das ursprüngliche Gebäude der Holm´s Werft, in dem erfolgreich einige Wettbewerbsboote, aber auch Minensuchboote für die Marine gebaut wurden. Das wird in Tourismusbroschüren und manchem Reiseführer besonders herausgestellt, aber mehr als ein normaler Werftbetrieb in alten roten Schuppen ist das heute nicht mehr.

Das Leben in Gamleby ist heute so unspektakulär wie in vielen normalen Orten Schwedens. Man arbeitet im Ort im Handel, der Pflege, der kleinen Fabrik oder dem Traktorbetrieb.  Es gibt drei kleine Antikmärkte, eine Eisdiele, den großen Supermarkt, Pflegeheim und eine abgesperrte Betonruine. Sie prägt als einstiges Silo die Silhouette des Hafens von Gamleby.

Innerhalb von Gamleby ist man eigentlich gut zu Fuß unterwegs. Man läuft förmlich rund um den bereits von der E22 sichtbaren auf Betonstelzen stehenden Wasserturm.

Nahe der Gleisanlagen hat man einen schönen kleinen Park angelegt. Mit kleinen Spielgeräten und manchem Pavillon. Gestiftet vom örtlichen Zahnarzt. Romantische Holzbrücken führen über den schmalen Bach, der halbrund entlang der Häuser verläuft und im Hafenbereich in den Gamlebyviken mündet.

Manches Wohnmobil verirrt sich hier hin und Schilder weisen vorsorglich darauf hin, dass das Übernachten hier unerwünscht ist. Dabei gibt es ein paar verwaiste neu angelegte Plätze mit Wasserblick im Norden des Hafens. Nur wenige hundert Meter entfernt.

Die Eisenbahn

Zuhause bin ich mit der Eisenbahn groß geworden. Der Traum meines Vaters war es, selbst auch zur Eisenbahn zu gehen, war doch bereits sein Vater und dessen Vater dort beschäftigt. Zumindest das Interesse daran ist weiter gegeben worden und selsbt stille Gleise faszinieren mich noch immer. So folgen wir diesen auch von der Überführung an der Hauptstraße bis zu den Bahnsteigen.

Und da entdecke ich eine Besonderheit. Zwei Gleise liegen in einem Gleisbett. Um es genauer zu erklären: Hier kann sowohl eine Schmalspurbahn mit 891mm wie auch eine Normalspurbahn mit 1435mm Spurweite fahren. Schmalspurbahnen sind in Schweden verbreitet. Eine solche führt von Hulsfred nach Västervik. 

Schwedens erster Biogas betriebener Zug fuhrt auf der Verbindung der Tjustbanan, wie die Linie seit 1990 genannt wird. Sie verbindet auf 116 Kilometer Linköping und Västervik. Zur Zeit wird intensiv an einem Weiterbetrieb gearbeitet.

Die ältesten Gebäude in Gamleby – Gamlbeby Kyrka

Natürlich gehört neben dem alten Herrenhaus Åby auch eine weiße schlichte Kirche zum Bild eines großen Ortes wie Gamleby. Bereits im 13. Jahrhundert soll es eine Kirche in Gamleby gegeben haben. Die erste Gamleby Kyrka soll allerdings etwa 1,5 Kilometer südwestlich des heutigen Gebäudes gestanden haben. Das heutige Gotteshaus in Gamleby wurde ab 1832 geplant und gebaut und am 27.August 1837 geweiht. 

Das Innenleben ist eine Reise durch die Zeiten. Während der heutige Altar aus dem Jahr 1970 stammt, wurde die Orgel bereits 1944 gebaut und 1973 erweitert. Sie löste die alte Orgel aus dem Jahr 1869 ab. Das Altarbild dagegen stammt aus dem Ende des 16. Jahrhunderts und die Taufbecken aus dem 17. Jahrhundert.

Die Altstadt von Gamleby

Die Altstadt ist wie bereits beschrieben im Stil einer typisch schwedischen kleinen Arbeiterstadt. Der kleine Marktplatz ist in einer selten zu findenden dreieckigen Form angelegt. Das alte Häuschen des schwedischen „Reichstelefon“ dient heute als kleine offene Bücherei. In dieser Form sind diese aufwendig schönen Relikte mittlerweile oft in Schweden anzutreffen.  Insgesamt macht der kleine überschaubare Gamleby Torget als Marktplatz eher einen verschlafenen Eindruck. Von hier aus führt ein Weg etwa 500 Meter weiter hoch auf den kleinen Hausberg, dem Gamleby Tornet. Dort bietet sich eine herrliche Aussicht über Gamleby und ein kleiner Trollpark. 

Im Hafen von Gamleby

Im Hafen von Gamleby liegen ein paar Freizeitboote und auch das ein oder andere kleine Fischerboot. Was aus dem Silo wird steht noch in den Sternen. Ein Bauzaun schützt vor potentiell herabfallenden Teilen. Rund herum gibt es ein paar kleinere Betriebe, die kleine Werft und den Wohnmobilstellplatz. Die meisten festgemachten Freizeitboote dürften einigen Menschen von Gamleby gehören, welche die Schönheit entlang des Gamlebyviken zu schätzen wissen.

Am Wasser immer weiter entlang befindet sich das Naturfreibad, das Hammarsbadet Gamleby. Hier gibt es Sprungtürme und Spielgeräte und manch lauschigen Platz. 

Im Trollpark von Gamleby

Uns ist jetzt nicht unbedingt der Bezug von Gamleby zu den Trollen bekannt, aber dennoch hat man oben auf dem Garpedansberget entlang einer 300 Meter langen Felswand einen Trollpark erschaffen. Der Künstler Jerzy Przybyl alias Jan Pol baute Skulpturen aus Faserbeton, die aus dem Wald einen echten Trollskogen von Gamleby machen.

So hausen hier nun Feen, Elfen, Nymphen, Schlangen, Drachen…. Mit der Zeit verwachsen diese Skulpturen mit der Natur und soll nun Touristen aus ganz Nordeuropa anziehen. Der Trollpark in Gamleby ist auf jeden Fall ganzjährig geöffnet. Kleine Kinder sollte man hier gut an der Hand halten und nicht von den Wegen abdriften. Weniger aus Angst vor diesen Trollen als aus Sorge vor möglichen Abstürzen.

Am Aussichtspavillon wartet eine weite Aussicht und auf dem Weg dahin immer wieder eine lauschige Picknick-Möglichkeit.

In Gamleby Urlaub zu machen, weil es den typischen Schwedentourismus-Klischees entspricht wäre ziemlich vermessen. Schon oft sind wir an Gamleby vorbei gefahren, ohne anzuhalten. In diesem Fall aber waren wir für zwei Wochen in einem ehemaligen Schulgebäude der Umgebung untergebracht, um das nördliche Småland zu erkunden. Da war Gamleby der nächst gelegene Ort mit allen Versorgungsmöglichkeiten. Sicherlich ist usn zugute gekommen, dass wir ein Traum von Wetter hatten. Ist der Himmel grau, ist aber auch Gamleby grau.

Gamleby zu entdecken ist ein Stück auch das klischeefreie schwedische Leben der Durchschnittsgesellschaft kennen zu lernen. Ganz ohne Allüren und ohne touristisches Unterhaltungsprogramm.  Ein wenig wirkt Gamleby für uns, wie in den 1970er Jahren stehen geblieben. Und das nicht nicht als Kritik zu verstehen. 

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