Ingmar Bergmann Grab auf Fårö / Gotland – Rückblick

„Hier will ich leben und hier will ich sterben“, das sind seine Worte, als Ingmar Bergman im Jahr 1960 zum ersten Mal auf Fårö trifft. Die Insel ist für ihn Liebe auf den ersten Blick. Vielleicht, weil Ingmar Bergmann sich selbst hier wieder findet, vielleicht auch, weil ihn hier niemand in all seinen Gedanken und Gefühlen stört. Bergman jedenfalls kommt nach Gotland. Und bleibt. Am 30. Juli 2007 verstirbt Ingmar Bergmann. Und doch ist er nicht gegangen. Irgendwie ist er geblieben. Spürbar.

Ein bewegtes Leben lässt Ingbar Bergman hinter sich, als sein Herz aufhört zu schlagen. Im eigenen Haus, im eigenen Bett, hier auf Fårö. Der Pfarrersohn aus Uppsala, der eigensinnige Querdenker, der ewig Suchende, weltberühmte Regisseur, Theaterdirektor, Träumer, Forderer. Was haben wohl seine Eltern gedacht, als sie ihn zum ersten Mal in den Armen hielten, was haben sie sich für ein Leben ihres Sohnes vorgestellt. Streng und hart war er, der Pastor. Und verhärmt und unglücklich wohl seine Mutter. Immer hat er seine Kindheit gesucht. Hat er sie gefunden? Nun ist seine Seele gegangen. Oder geflohen? Am Bett eine seiner Töchter. Und sein Schwiegersohn. Neun Kinder hat er.  Fünf mal verheiratet, unzählige Male verliebt und liiert.

Nun, 89 Jahre ist Ingmar Bergman geworden, er hat Kinogeschichte geschrieben, Menschen verstört, Beziehungen ausgewechselt, Menschen geliebt und doch nicht ausgehalten. Er hat die Filmzensuren beschäftigt, für Skandale gesorgt, die dann in ihrem Lichte doch keine waren und vielmehr als wertvolle Beiträge selbst von der evangelischen Filmstelle gewertet wurden.

Seine 39 Kinofilme und 23 Fernsehspiele, seine 130 Theaterstücke und Opern, sie haben aufgerüttelt, aufgeklärt, hinterfragt, analysiert und motiviert, Fragen auszuhalten und Fragen zu stellen. In seinen Filmen reflektiert er bewusst oder unbewusst seine eigene Herkunft, seine Gedanken, seine Gefühlswelt, seine Angst und nochmal seine Angst.

So sehr Bergman schon 1963 aufgrund seiner filmischen Freizügigkeit skandalierte, so hat er vor allem eines frei gezeigt: die eigene, aber auch unsere eigene Seele. Schonungslos, offen, aber verständig und alles andere als gefühlskalt.

Seine Filme sind meist schwarz-weiß, vielleicht auch, weil er so ist. Sie sind oft reduziert, um nicht abgelenkt zu werden. Sie haben eine bestechende Klarkeit, die weh tut, in der man sich aber auch verstanden fühlt. Vorausgesetzt, man ist ehrlich zu sich selbst.

So wie die Insel Fårö schroff ist und kalt, kantig und fordernd, schwarzes Gestein und weißer Strand, so verschmilzt Bergmann privat und damit auch in seinen Filmen mit jener Landschaft, mit jenem Meer.

Vielleicht ist es seine Kindheit, die nach eigenem Empfinden keine war, die ihn zu dem macht, wie er als Erwachsener ist. Für seinen Vater, einen lutherischen Pastor, gab es nur schwarz-weiß. Ingmar wurde als mittleres von drei Kindern sehr streng erzogen, dazu gehörte auch das Schlagen mit dem Rohrstock oder das Wegsperren in die Garderobe. Zuhause gab es für ihn wenig Freude, dabei ist das Evangelium ein Buch der Freude und der Liebe. Er selbst wird als Erwachsener mit einer eigenen Familie nichts anfangen können, „familienfaul sei er“, wird Bergman über sich selbst sagen.

Vor 47 Jahren ist er auf die Schafsinsel, nach Fårö gekommen. Die Menschen, sie haben ihn berührt mit ihrer Not, ihrer Bescheidenheit. Zwei Dokumentarfilme über diese Insel hat Bergman ihnen geschenkt und damit die schwedische Regierung bewegt, für diese Menschen etwas zu tun. Auch er hat getan, hat ausschließlich nur Handwerker und Material aus Fårö für seine Produktionen eingesetzt.

Nun zeigt er sich selbstkritisch, erkennt seine eigene Schuld, seine Triebhaftigkeit, seine Unfähigkeit, treu zu sein, ein guter Mensch zu sein, zu bleiben. Aber das hat gedauert. Erst musste Ingmar Bergman alt und weise werden, um sich zu versöhnen- mit sich selbst, mit seiner eigenen Familie, aber auch mit Schweden.

Manche Prozesse dauern ein Leben lang, bis man dann geht: um zu bleiben. Fårö ist heute Bergman-Land. An der Kirche Fårös befindet sich sein Grab. Und daneben das seiner letzten Frau, Ingrid. Wer hierher kommt, um sein Grab zu sehen, hat ihn nicht verstanden. Der ist aber eingeladen, ihn und damit Fårö zu entdecken und  anzufangen zu verstehen- den Regisseur der Filme und dann sich selbst.

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