Flensburger Hofkultur meets The Joni Project

Zugegeben, ich habe mich gefreut, dass es regnen würde. Wenngleich das Programm der Flensburger Hofkultur eigentlich Open-Air-Veranstaltungen aus besteht. Aber zum einen kenne ich The Joni Project bereits vom NØRDEN-FESTIVAL. Zum anderen soll ich an diesem Abend offiziell fotografieren. Und das macht einfach mehr Freude, wenn man sich gut bewegen und die Lichtverhältnisse etwas besser einschätzen kann. Als Ersatz zum geplanten und wunderschönen Käthe-Lassen-Hof dient bei diesem Wetter die großartige Nikolai-Kirche in Flensburg. Und die wird an diesem Abend voll. Eine musikalische Reise durch die Biografie der berühmten Joni Mitchell beginnt.

Die Kirche. Der Mensch. Joni Mitchell.

Wer mich kennt weiß um meine Liebe zu sakralen Bauten. Und auch um meine traditionelle Einstellung zu Kirche und Gesellschaft: Ich halte Kirche eben für unser Miteinander für sehr wichtig. Oft aber verbinden wir Kirche mit einer gewissen Schwere, oftmals mit Trauer, manchmal mit Melancholie. 

Aber Gott hat uns auch die Freude mitgegeben und ich glaube, er findet es richtig klasse, wenn wir in seinem Wohnzimmer fröhlich und glücklich sind. Wenn wir uns austauschen. Interesse an unserem Gegenüber haben. Warum also nicht auch musikalisch das tragische wie suchende und auch feiernde und damit reale Leben einer Joni Mitchell in die Kirche bringen? Genau das passiert heute Abend im Rahmen der Flensburger Hofkultur mit dem einzigartigen Joni-Project. Mit einer einzigartigen musikalischen Reise durch die Biografie der Joni Mitchell.

Joni Mitchel- eine der bekanntesten amerikanischen Liefermacherinnen der 1970er

Joni Mitchell kam am 7. November 1943 als Roberta Joan Anderson im Westen von Kanada zur Welt. Ihr Zuhause war von Rastlosigkeit, von vielen Umzügen geprägt. Bereits mit neun Jahren begann sie zu rauchen. Im Jahr 1953 erkrankte Joni an Kinderlähmung und verbrachte lange Zeit im Krankenhaus. Mit Liedern tröstete sie sich und die anderen Kinder. Geblieben aus dieser Zeit ist eine Schwächung der linken Hand.

Mit etwa 17 Jahren wuchs ihr Interesse am Gitarrenspiel. Aber eine Gitarre war einfach zu teuer. So entschied sie sich für den preiswerten und kleinen Ableger, einer Ukulele. Damit brachte sie sich selbst das Gitarrenspiel bei. Doch fehlte ihr die Kraft der linken Hand. Sie suchte nach Alternativen in der Spieltechnik.

Meine linke Hand ist etwas ungeschickt wegen der Kinderlähmung. Ich musste die Akkorde für die linke Hand vereinfachen, aber ich sehnte mich nach Akkordfolgen, die ich mit der Standard-Stimmung nicht ohne extrem gelenkige linke Hand erreichen konnte.

Joni Mitchell

Dieser Umstand entwickelte sich in den Songs der Joni Mitchell zunehmend zu einem unverkennbaren individuellen Musikstil. Dazu stimmte sie ihre Gitarre ganz individuell udn unüblich.

Begegnung Joni Mitchell mit Neil Young

Nach Ende ihrer Schule wollte Joni Mitchell Kunst studieren, brach das Studium aber bereits ein Jahr später ab. Als Musikern Geld zu verdienen war ihr großer Traum und sie begann ihre Karriere ab 1961 mit dem Covern von Songs. Doch die Urheber verboten ihr die Nutzung. So begann sie, eigene Lieder zu texten. Zum ersten mal hatte sie zu Halloween 1962 in einem Café ihren ersten bezahlten Auftritt.

Im Jahr 1964 begegnete sie Neil Young, mit dem sie fortan freundschaftlich verbunden sein würde. Eines der Zeichen dieser Freundschaft war die erlaubte Integration des Hits Sugar Mountain, dessen Inhalt sie mit ihrem Song Circle Game entgegnete. In weiterem Verlauf widmete Neil Young ihr den Song Sweet Joni.

In dem im Jahr 1976 erschienenen Album Heijra brachte sich Neil Young mit der musikalischen Begleitung einer Mundharmonika ein. Im gleichen Jahr machten Neil Young und Joni Mitchell mit ihrem ersten gemeinsamen Life-Auftritt Schlagzeilen.

Ungewollt schwanger. Ungewollt Mutter. Ungewolltes Kind

Am 19. Februar 1965 kam ihre Tochter zur Welt, deren Existenz sie aber vor ihren konservativen Eltern und ihrem Umfeld verheimlichte. Völlig verarmt gab Joni Mitchell ihre Tochter zur Adoption frei. Im gleichen Jahr traf Joni Chuck Michtell, den sie kurz darauf heiratete. 

Joni und Chuck Mitchell trennten sich bereits nach kurzer Zeit und ließen sich 1968 letztendlich scheiden. Zu ihrer Tochter bekam Joni Mitchell 1997 wieder Kontakt, der dann aber 2001 wieder abbrach. In ihrer gemeinsamen Zeit machten die beiden gemeinsam von Detroit aus Musik. Die Trennung selbst verarbeitete Joni Mitchell in zahlreichen ihrer Liedern.

Die musikalische Karriereleiter der Joni Mitchell

So richtig durchgestartet hat Joni Mitchell ab 1967. In jenem Jahr schrieb sie den Song Both Sides, Now, der durch die FolkSängerin Judy Collins schnell die US-amerikanischen Single-Charts erreichte. Dieser Song sollte einer der beliebtesten Folk-Songs von Joni Mitchell werden.

Joni Mitchells Stimme dazu selbst hörte man erst auf ihrem zweiten Album Clouds im Jahr 1969. Insgesamt brachte es Both Sides, Now auf etwa 1.500 Cover-Versionen und wurde u.a. von Berühmtheiten wie Bing Crosby oder Frank Sinatra interpretiert. Ihr erstes gleichnamiges Album brachte Joni Mitchell ein Jahr zuvor heraus.

Mitchell wechselte in die Clubszene von „The Village“ nach Manhatten, New York. Hier trafen sich die Künstler aller Genres und es entwickelte sich ein Brennpunkt der Folk-Musik. In dieser Zeit hatte sie eine etwa einjährige Beziehung mit Leonard Cohen, welches sie später in ihren Songs verarbeitete. Im Jahr 1969 zog es Joni Mitchell nach Los Angeles, wo sie eine zweijährige Beziehung mit dem Folksänger der Hollies, Graham Nash, einging.

Gerne währe sie der Einladung auf die Bühne des berühmten Woodstock-Festival (15.–18. August 1969) gefolgt. Doch hatte Joni Mitchell bereits einer beliebten TV-Show zugesagt. Beides war nicht zu schaffen. Dennoch emotional tief berührt von der Ausstrahlung des Festivals schrieb sie den Song Woodstock als feierliche Reflexion auf dieses Jahrhundert-Ereignis. In einer Cover-Version belegte Woodstock den ersten Platz der englischen Charts. Ende der 1960er kam sie vorübergehend in das damalige Hippie-Dorf Matala auf Kreta, um dem treibenden Jet-Set in Amerika zu entfliehen, dessen aktiver Teil sie zugleich längst geworden war. Mit all den dazugehörigen Allüren.

Die Zeit in der ersten Hälfte der 1970er Jahre dürfte musikalisch die erfolgreichste von Joni Mitchell gewesen sein. Im Jahr 1970 / 1971 begleitete sie James Tayler während ihrer gemeinsamen Beziehung in drei Liedern als Backround-Sängerin. Doch auch diese Beziehung zerbrach und sie verarbeitete diese Zeit in ihrem nunmehr vierten Studio-Album Blue. Ein weiteres folgte unter dem Namen For the Roses im folgenden Jahr.

Ab 1974 veränderte sich der musikalische Ausdruck ins Jazz, der sich in ihren nächsten Album Court and Spark spiegelte. Natürlich nicht auch ohne auf ihre nächste gescheiterte Beziehung nunmehr zum Rockmusiker Jackson Browne einzugehen.

Deutlicher wurde der Jazz-Einfluss im folgenden Album The Hissing of Summer Lawns 1975.  Joni Mitchell verlobte sich kurzzeitig mit dem Schlagzeuger John Guerin und wurde zugleich süchtig nach Kokain. Mithilfe eines Buddhisten und ehemaligen aus dem Tibet stammenden Mönchs fand Joni Mitchell 1976 den Weg aus dieser Sucht wieder heraus. Im gleichen Jahr veröffentlichte sie ihr unverkennbar von Jazz geprägtes und bis heute viel beachtetes Album Hejira

Noch deutlicher wurde die Entwicklung zum Jazz hin in ihrem Folgealbum Don Juan’s Reckless Daughter als Doppl-LP. nach ihrem eigenen Bekunden mehr aus Verpflichtung ihrer Plattenfirma geschuldet sollte es ihre letzte in den USA mit Gold ausgezeichnete Platte sein. Viele ihrer bisher treuen Fans fanden den nun deutlich gewordenen Bruch gegenüber ihrer ursprünglichen Musik befremdlich und wandten sich ab. Zugleich hielt der Rolling Stone diese Veröffentlichung für eines der meist unterschätzten Werke. Im Jahr folgte das bis heute vielbeachtete Album Mingus,  1980 schloss Joni Mitchell zunächst ihren Ausflug ins Jazz mit dem Album Shadows and Light ab.

Im Jahr 1982 ging Joni Mitchell eine 12 Jahre haltende Ehe mit dem Musikproduzenten Larry Klein ein. Zugleich wechselte ihr Musik-Genre nun von Jazz ins Rock. Dabei fühlte sie sich mitunter selbst aber fremdbestimmt.  Immer mehr gaben die Investoren der Szene die musikalischen Inhalte vor. Mit der 1985 erschienenen Platte Dog eat Dog konnte sich Joni Mitchell nur noch bedingt identifizieren. Spürbar auch im Verkaufserfolg- die Platte wurde nur von eingefleischten Fans gekauft. Die gewohnte Stimme der Joni war ihren Fans fremd geworden. Einst sensibel fein den Folk transportierend war sie nun vier Oktaven tiefer und rau geworden.

Im Jahr 1990 kam Joni Mitchell zu einem bis heute berühmten Konzert von Pink Floyd nach Berlin. Am 21. Juli unter dem Einfluss des Falls der Mauer zwischen DDR und Bundesrepublik wurde das bis heute legendäre The Wall aufgeführt und im Fernsehen übertragen. Joni Mitchell sang darin Good By Blue Sky.

Joni Mitchell war müde vom Druck und den marktwirtschaftlichen Vorstellungen der Musikindustrie. Sie schloss im Jahr 2002 ihre eigentliche Musikkarriere offiziell mit einer Reise durch ihre 30-jährige Musikgeschichte im Doppel-Album Travelogue ab. Bei diesen Aufnahmen wurde Joni Mitchell von einem aus 70 Musikern bestehenden Orchester begleitet. Allerdings legt sie im Jahr 2007 mit dem Album Shine noch einmal nach. Im Jahr 2014 kam eine vierteilige CD-Box mit Liedern aus ihrer 40-jährigen Karriere unter Love Has Many Faces auf den Markt.

Je mehr sich Joni Mitchell aus dem Musik-Business zurück zog, je mehr widmete sie sich ihrer Malerei. Viele ihrer Platten Cover stammen aus ihrer Feder. Immer wieder tritt Joni Mitchell in Erscheinung. Im Jahr 2022 gab sie ein Überraschungskonzert mit anschließend produziertem Life-Album. Auch 2023 will sie auf der Bühne stehen. wenn auch für nur zwei Abende.

Denn das Leben hat Spuren hinterlassen. Ihre psychosomatische Hautkrankheit ist nur eine davon. Ihr Leben war getrieben. Von sich selbst und von anderen. Geprägt von ungewollten Einflüssen, von eigener Arroganz und fremder Ausnutzung. Stoff genug, aus ihrem Leben ein biografisches Projekt zu machen. The Joni-Project.

The Joni-Project

Stoff, Drama und Spannung genug also, um sich mit dem Leben dieser Ausnahmekünstlerin zu beschäftigen. Aber wie genau sind die Künstlerinnen ausgerechnet auf Joni Mitchell gestoßen?

Initiatorin von The Joni Project ist die in Hamburg durch ihre Beatles-Tour bekannt gewordene Stefanie Hempel. In ihrer Kindheit hat sie Interesse an Nash, Young,  James Tayler, Jackson Browne. Aber Joni Mitchel? Nein, deren Stimme gefällt Stefanie Hempel so gar nicht. Es braucht erst den Abschiedsschmerz gegenüber ihren Musiklehrer. Sie ist zu jener Zeit 13 Jahre alt und legt nach der letzten Unterrichtsstunde melancholisch Mitchells Album Blues auf.  

Immer wieder  startet sie die Platte und fühlt, wie die Musik von Joni Mitchell genau ihre eigene Stimmung spiegelt. Denn Joni Mitchell selbst hat ihre Musik immer wieder genutzt, um eigene Erlebnisse, auch von Trauer und Abschied, selbst zu reflektieren und zu verarbeiten. Mit diesen Stunden begann für Stefanie Hempel eine fortwährende emotionale Verbindung zur Musik und damit zur persönlichen Geschichte von Joni Mitchell.

Aus ihrer Liebe zu dieser Musik entsteht während des LockDown die Idee, ein Projekt zu machen. Stefanie Hempel gewinnt die Multi- Instrumentalistinnen Anne de Wolff und Iris Romen. The Joni-Project ist geboren.

Grundlage des Projekts ist das legendäre Album Blue und so treffen sich die drei passender Weise im Bluhousesstudio. Die Songs des Albums sollen deutlich sichtbar bleiben und doch in ganz persönlichen Stil der drei Künstlerinnen interpretiert werden. Untermalt wird The Joni-Project mit kurzweiligen Episoden der suchenden wie fordernden Joni Mitchell.

Wer sich bisher schon für die dreiKünstlerinnen oder für die ursprüngliche und emotional-ehrliche Musik begeistern konnte, bekommt nun alles zusammen. Nach einem Konzert des musikalischen Trios Stefanie Hempel, Anne de Wolff und Iris Romen kommt man nicht umhin, sich mit dem Schicksal der Joni Mitchell weit über deren Songs hinaus zu beschäftigen und damit in die Tiefe ihrer Worte und Klänge einzutauchen. Und vielleicht entdeckt man dabei die ein oder andere Parallele zum eigenen Leben. Facetten dazu werden genug offenbart.

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