Fresvik ist auch nur Dorf in Norwegen
Von Vik aus führt eine schmale Straße entlang eines Seitenarmes des Sognefjord. Auf halber Strecke wartet die Fähre auf die Überfahrt nach Balestrand. Doch wir fahren weiter, bis es nicht mehr weiter geht. Und kommen nach etwa 30 Kilometern in das kleine Dorf Fresvik. Ein Dorf, in dem für norwegische Verhältnisse die Armut auch heute zuhause ist. Aber das ändert nichts an dem Glück der Menschen, die hier leben.
Fresvik ist ein Dorf jenseits aller touristischen Vorstellungen. Und so werden die wenigsten Menschen Fresvik kennen, selbst, wenn sie glauben, alles über den Sognefjord zu wissen.
Etwa 220 Menschen leben in Fresvik, gehen in aller Ruhe der Landwirtschaft nach oder arbeiten in einer kleinen Fabrik. Die Löhne sind niedrig und in den Wintermonaten liegt der Ort durchgehend im Schatten.
In der warmen Jahreszeit prägt der Obstanbau und die Züchtung von Himbeeren und Erdbeeren die bescheidene Landwirtschaft der wenigen kleinen Höfe in Fresvik. Das langgestreckte Tal dient zudem als Weidefläche für Schafe und Rinder. Kommt man aber mit den Menschen in Fresvik ins Gespräch, dann wollen sie kaum woanders wohnen. Selbst die ein oder andere deutsche Auswanderin hat es nach Fresvik verschlagen, mangels Perspektive im Heimatland. Aber auch sie denken keinen Moment an eine Rückkehr.
Wir haben in Fresvik vor einigen Jahren eines unserer schönsten Weihnachtsfeste und Sylvester verbracht, eingeladen bei Freunden. Als wir bei unserer Ankunft zunächst in den kleinen Laden am ebenso kleinen Hafen einige Dinge kauften, wurden wir schon mit Namen angesprochen. Unser Ankommen hatte sich schon zuvor herum gesprochen. An Sylvester gab Hirsch-Gulasch vom selbsterlegten Tier und ein kleines bescheidenes Feuerwerk in Dimensionen einiger Wunderkerzen vor der Haustür. Mehr ist hier nicht erlaubt.
An einem anderen Abend sind wir, zwei der Jugend schon leider entrückte Männer, mit dem Auto die fünf Kilometer lange kurvenreiche Straße nach oben gefahren, um dann im Wechsel mit Stirnlampe und Schlitten wieder ins Tal zu düsen. Kind sein darf man hier, egal, wie alt man ist.
Unser Haus, von Freunden zur Verfügung gestellt, wird eigentlich an Angler vermietet. Ein großes Panoramafenster bietet einen traumhaften Blick auf den Sognefjord. Immer wieder sehen wir Gruppen von Schweinswalen in der Bucht vor Fresvik entlang ziehen. hin und wieder verirrt sich selbst ein Orca hier her.
Die vielfältige Fjordlandschaft
Nun sind wir wieder hier, in Fresvik, genießen die Ruhe und den Smaragd-grünen Fjord, die Obstbaumblüte und die ausgedehnten Wanderwege.
An der östlichen Gemeindegrenze von Fresvik mündet der Aurlandsfjord in den Sognefjord. Wunderbare Wanderwege in die umgebenden Berge bieten unvergeßliche Ausblicke auf diese einmalige Fjordlandschaft.
Und so sollte man auch eine Wanderung zum Uneseco Welterbe gehörenden Nærøyfjord in seine Planung aufnehmen. Von Fresvik aus liegt der Nærøyfjord als Seitenarm des Aurlandsfjord gerade einmal 11 Kilometer südlich.
Fresvik und der Gletscher
Welches Dorf hat schon einen eigenen Gletscher? Fresvik gehört auf jeden Fall dazu. So ist der Fresvikbreen ein weiteres unbedingt empfehlenswertes Ziel, gerade einmal acht Kilometer vom Ortskern aus entfernt.
Die Entwicklung
Eines der ältesten Gebäude, wenn nicht sogar das älteste ist die Kirche aus dem AJhr 1881. Sie folgte einer alten Stabkirche, die man zuvor abgerissen hat. Heute finden 200 Menschen in der Fresvik Kirke Platz.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass Fresvik überhaupt mit dem Auto erreichbar ist. Erst im Jahr 1976 wurde eine schmale Straße von Feios hier her gebaut. Zuvor musste man eine mindestens 10 Kilometer lange Bootsfahrt über den riesigen Sognefjord unternehmen, um nach Fresvik zu gelangen.
Heute wird die schmale Straße durch einige Tunnels entschärft. So gibt es Tunnels, die nur im Winter geöffnet sind. Denn bei Eis und Schnee haben wir durchaus schon Sorge gehabt, in den Sognefjord zu rutschen.
Am kleinen Hafen in Fresvik erinnern große Schwarz-Weiß-Aufnahmen an die alte Schiffsverbindung. Natürlich hat auch heute fast jeder Haushalt ein Boot und so mancher auch seine eigene Bootshütte.
Was Fresvik mit China und den USA zu tun hat
Eine rührende Geschichte aus Fresvik wurde im Jahr 2013 in einer der erfolgreichsten norwegischen Dokumentationen aufgenommen. Der Ursprung dieser Geschichte ereignete sich in China. Dort ist es bis heute durchaus üblich, neugeborene Mädchen einfach auszusetzen, oft sich selbst zu überlassen.
Und so wurden im Jahr 2003 zwei Mädchen als Zwillinge in einem Karton in einem kleinen chinesischen Dorf gefunden.
Sie kamen in ein Waisenhaus nach Changsha in der Provinz Huhan. Von dort aus wurden sie einzeln zur Adoption freigegeben.Das eine Mädchen kam so nach Fresvik und bekam den Namen Alexandra Hauglum. Ihre Zwillingsschwester kam in die kalifornische Stadt Sacramento und trug fortan den Namen Mia Hansen. Niemand wusste, dass die beiden Mädchen Zwillinge waren. Und doch fanden sie auf unerklärliche Weise wieder zusammen.
Die norwegische Regisseurin und Produzentin Mona Fries Bertheussen griff die Geschichte in ihrer 58 minütigen Dokumentation auf. Unter dem Namen „Twin-Sisters“ bekam der Film nach vierjähriger Produktionszeit im Jahr 2013 den Publikumspreis auf dem internationalen Dokumentarfilmfestival in Amsterdam. Aber das war erst der Anfang für zehn weitere Preise und einen Siegeszug rund um den Globus.
Filmkulisse für deutschen Fernsehfilm
Wir staunten nicht schlecht, als wir an einem Abend durch die Fernsehkanäle zappten und auf einmal bekannte Gebäude in einem Film entdeckten. tatsächlich prduzierte im Jahr 2011 im kleinen Fresvik das deutsche Studio Hamburg für das ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen) den Fernsehfilm „Liebe am Fjord“. Der Film wurde ausschließlich mit deutschen Schauspielern besetzt und das schönste Gebäude in Fresvik kurzerhand zum Hotel.

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