Annäherung eines Menschen, der malte – Die Biografie von Emil Nolde
Wir kommen alle als Baby zur Welt. Unbedarft, unschuldig, ungepolt, frei. Dann füllen wir unser Leben mit jedem neuen, sekündlichen Eindruck, lassen uns prägen und hinterlassen in unterschiedlichen Größen unseren Fußabdruck. Aber in welche Richtung wird er gehen? Welches Ziel wird er verfolgen? In diesem Beitrag versuchen wir, uns einem der berühmtesten und beliebtesten Künstler Deutschlands anzunähern, dessen helle Farben durchaus im Widerspruch zu seiner Gesinnung stehen: Emil Nolde.
Um Emil Nolde kennen zu lernen, bedarf es seiner Biografie, die wir in kurzen Abrissen aufzeigen. Es zeigt seine Lebensreise, seinen Drang, unterwegs zu sein und es zeigt seinen starken Willen, etwas zu bewegen und sich nach vorne zu bringen. Dabei muss man sich in seine Zeit zurück versetzen, eine Zeit, die oft arm und entbehrend war, geprägt vom jungen Krieg zwischen Preußen und Dänemark, dem ersten Weltkrieg, der neuen Grenzziehung zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein und dem aufkeimenden Nationalsozialismus.
Erste Schritte im Leben von Emil Nolde
Auf einem kleinen Bauernhof im heute dänischen Ortsteil Nolde im Ort Burkal kam Hans Emil Hansen am 07. August 1867 zur Welt. Damit wuchs er unweit nördlich der heutigen dänisch-deutschen Grenze, nahe Tondern, auf. Diese Region, im nördlichen Herzogtum Schleswig gelegen, gehörte zwischen 1864 und 1920 zu Preußen und damit zum Deutschen Reich.
Das Leben auf dem Lande war karg und hart. Drei ältere Brüder hatte er und eine jüngere Schwester. Sein Vater war echter Nordfriese und seine Mutter Südjütländerin. Die Familie lebte vom eigenen bescheidenen Hof, alle mussten früh mit anpacken, so war es üblich. Ein Leben zum Überleben, anstrengend und mit vielen Entbehrungen.
Die Kinder gingen auf deutsche Schulen und zur Ausbildung zog es Hans Emil nach Flensburg. Zwischen 1884 und 1888 folgte er hier einer Ausbildung zum Schnitzer und Zeichner an der damaligen Kunstgewerbeschule, die heute als Ausstellung zum Museumsberg gehört. In dieser Zeit durfte er an der Restaurierung des berühmten Brüggemann-Altars teilhaben. Bald zog es ihn durch das Deutsche Reich, er arbeitete in Möbelfabriken, die u. a. im München, Karlsruhe oder der Hauptstadt Berlin lagen. Reisen zu der Zeit war langwierig und aufwendig.
Nach so viel Praxis wurde er 1892 Lehrer am Gewerbemuseum im schweizerischen St. Gallen. Er brachte den Schülern dort das Entwurfzeichnen bei für die gewerbliche und ornamentale Anwendung. Im Jahr 1898 beendete er seine Tätigkeit. Doch in dieser Zeit hatte er in einem seiner Schüler einen Freund gefunden, der ihn als solcher bis zu seinem Tod begleiten würde- den Rechtswissenschaftler Hans Fehr. Einer de Schwerpunkte von Fehr würde in der Zukunft der Zusammenhang von Kunst und Recht werden. Während seines Aufenthaltes in der Schweiz setzte sich Hans Emil mit der dortigen Landschaft auseinander, er begann, seine Eindrücke in kleinen Aquarellen von den Bergen und seinen Bergbauern auszudrücken. Diese ließ er auf Postkarten drucken und hatte endlich ein freies Einkommen, um sich weiter zu entwickeln.
Um als junger Künstler weiter zu kommen, bemühte er sich vergeblich um ein Studium an der Kunstakademie in München. Doch an der kleinen privaten Malschule des Adolf Richard Hölzel wurde er aufgenommen, allerdings traf er im Herbst 1889 die Malerin und Zeichnerin Emmy Walther und zog mit ihr nach Amsterdam und Paris. Dort meldete er sich an der hoch angesehenden Kunstakademie „ Académie Julian“an, zog aber bereits 1900 nach Kopenhagen, um dort sein erstes Atelier anzumieten. Hier traf er seine Liebe, die 23 Jahr jüngere Schauspielerin Ada Vilstrup (1879–1946). Im Jahr 1902 heirateten die beiden und zogen auf die seit dem Krieg 1864 zum Deutschen Reich gehörende Insel Alsen. Mit der Heirat wechselte Hans Emil Hansen auch seinen Namen – aus ihm wurde nun Emil Nolde, wie seine Geburtsstätte ja nun auch hieß.
Auf eigenen Beinen
Etwa ein Jahr später begann Emil Nolde, sich verstärkt der lyrischen Landschaftsmalerei zu widmen. Er schloss sich nun der schleswig-holsteinischen Kunstgenossenschaft an und beteiligte sich bis 1912 an fünf Ausstellungen. In den Jahren 1906 und 1907 trat er der expressionistischen Künstlergruppe „Brücke“ bei und traf dabei auch Edward Munch in Berlin. Zwei Jahre später wurde er Mitglied einer weiteren Künstlervereinigung, der Berliner Secession. Doch hier kam es zu einem Bruch mit der Jury, sodass einige Künstler zusammen mit Nolde sich alternativ als neue Secession zusammen taten und eine eigene Ausstellung unter dem Titel „Zurückgewiesene der Secession Berlin 1910“ organisierten.
Emil Nolde begann mit den ersten religiösen Bildern unter den Titeln „Abendmahl“,„Pfingsten“und „Verspottung“ Die Ausstellungen in Hamburg, Essen und Hagen zwischen 1910 und 1912 brachten den erhofften Erfolg. In dieser Zeit setzte er auch seine Eindrücke aus Berlin um, wo er mit seiner Frau während der Winter verweilte. Aber auch „20 Herbstmeere“ und eine neunteilige Serie „Das Leben Christi“ sind aus dieser Zeit.
Expedition in die Südsee
Als zum Ende der deutschen Kolonialzeit die Medizinisch-demographische Deutsch-Neuguinea-Expedition in die Südsee führte, beauftragte man Emil Nolde, diese Reise in die Südsee zu begleiten. Seine Frau sollte als zusätzliche weibliche Person für die mitreisende Krankenschwester an dieser anstrengenden und nicht ungefährlichen Reise teilnehmen. Die Arbeiten wurden ihm frei gestellt und er schuf in dieser Zeit zahlreiche Aquarelle, Gemälde und auch Schnitzfiguren.
Doch schon früh erkrankte Emil Nolde an Diphtherie, die ihn kurzeitig beeinträchtigte. Mit Bekanntwerden des Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 traten Ada und Emil Nolde die Rückreise über Ägypten an. Der Reichspostdampfer Derfflinger, auf dem die Noldes zurück reisten, wurde im ägyptischen Port Said von der englischen Marine gestoppt. Immerhin hatte der erste Weltkrieg begonnen. Emil Nolde schaffte es, mit seiner Frau auf einem holländischen Schiff nach Genua zu kommen, von dort schafften sie es über die Schweiz nach Berlin und von dort aus auf die Insel Alsen, wo sie zuhause waren.
Emil Noldes Sehnsucht nach Heimat
Emil Nolde wollte Fuß fassen und sehnte sich nach seiner ursprünglichen Heimat. So zog er mit Ada in das kleine Bauernhaus Utenwarf, zwischen Tondern und Vidå an der Westküste gelegen. Der erste Weltkrieg endete. Nun begann das Tauziehen um den Grenzverlauf zwischen Dänemark und Deutschland. Die Zeit schien günstig, da Deutschland den Krieg verloren hatte. Die Noldes hatten keine Lust, sich an dieser oft sehr emotionalen Diskussion zu beteiligen. Mit der Volksabstimmung über den endgültigen Grenzverlauf zwischen Dänemark und Deutschland kam auch Burkal, Noldes Geburtsort, (zu der Zeit Buhrkall geschrieben) zu Dänemark. Nolde hatte kein Problem damit, die dänische Staatsbürgerschaft anzunehmen, aber er sah sich vor allem als Nordschleswiger, welche die Deutsche Minderheit in Dänemark bildet.
Dort, wo die Noldes nun lebten, war die Landschaft umgeben von moorigen und sumpfigen Wiesen und Wäldern. Zunehmend wurde das Land urbar gemacht und entwässert. Mühsam war das Projekt, doch nun war es an der Zeit, ein eigenes Domizil zu schaffen. Sie erwarben 1926 eine ungenutzte Warft auf der nahen deutschen Seite und nannten sie Seebüll. Auch den benachbarten Hof und die Weideflächen gehörten nun zu ihrem Besitz. Bis zur Fertigstellung ihres Hauses, wohnten sie nun im benachbarten Seebüllhof, ehe sie 1930 in ihr neues, selbst entworfenes Heim umziehen konnten. Dabei war der Neubau völlig untypisch für diese Region, fast futuristisch. Würfelförmig verfügt es über zwei Etagen mit dreieckigen, eingeschossigen Anbauten. Im Jahr 1937 ergänzten sie das Backsteingebäude um die Galerie mit ihrem großen Bildersaal.
Zu ihrem Haus gestalteten Ada und Emil einen parkähnlichen Garten mit Wegen, die in Form ihrer Initialen A und E angelegt wurden. Die Inneneinrichtung stimmten Ada und Emil Nolde mit der Bepflanzung ab. Ein kleines Gartenhäuschen, das Seebüllchen, entstand 1935 – 36 und bekam ein Reetdach. Der Garten wurde zu ihrer großen, gemeinsamen Liebe.
Unsere Väter, unsere Mütter, unsere Noldes
Mit der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 entwickelte auch der Hass auf Juden seinen Höhepunkt. Antisemitismus war endlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen und damit hoffähig. Denn Antisemitismus gab es schon lange, vor allem aber wurden die Juden von frustrierten Deutschen für den verlorenen ersten Weltkrieg verantwortlich gemacht. Dabei sind auch 12.000 deutsche Juden im ersten Weltkrieg gefallen. Die Hatz auf Juden nahm schon früh in Berlin ihren Lauf, auch vor 1933.
Scheinbar ließ sich auch Emil Nolde, einst selbst mit einem jüdischen Paar befreundet, von diesem idiologischen Wahn anstecken. Der Wirtschaft ging es schlecht, in den Städten waren gewaltsame Auseinandersetzungen keine Seltenheit, da kamen die Juden, die für sehr geschäftstüchtig gehalten wurden, als Sündenböcke gerade recht.
Schon im August 1934 bezeugte Nolde schriftlich in einem Aufruf der Kulturschaffenden seine blinde Gefolgschaft zum Führer. Die von Joseph Goebbels kreierte Erklärung erschien am 18. August 1934, einen Tag vor der Volksabstimmung, ob Hitler alleiniger Führer werden solle. Goebbels war selbst wie übrigens auch Albert Speer von der Kunst Noldes sehr angetan, beide förderten ihn. Goebbels verhalf Nolde schon 1933 zu einer Ausstellung. Auch bei einer Gedenkveranstaltung zum 10 jährigen Putschversuch Hitlers in München war Emil Nolde Ehrengast von Heinrich Himmler.
Nolde selbst hielt Juden für durchaus intelligent, aber wenig kreativ. Er verallgemeinerte eine Begegnung mit einem jungen Juden, die ihn enttäuschte. Nun war auch der politische Rahmen gesetzt, um sich pauschal gegen Andersdenkende aufzulehnen. Er bekämpfte sogar aktiv großartige jüdische und etablierte Künstler wie den berühmten Max Liebermann. Auch Stilrichtungen der Kunst, die nicht seinem eigenen Verständnis entsprachen, begegnete er mit aktiver Ablehnung.
Er engagierte sich in nationalsozialistischen Parteien, scheinbar bedacht darauf, als treuer Anhänger des menschenverachtenden und satanischen Regimes wahrgenommen zu werden.
Doch manchmal kommt es anders als man denkt. Diese Einsicht wird Nolde nur schwer vergegenwärtig haben. Denn zunächst von ihm unbemerkt, lehnte Hitler und auch sein kultureller Chef-Ideologe Alfred Ernst Rosenberg Noldes Kunst als entartet ab.
Hitler und seine erbärmlichen Schergen wollten den Deutschen zeigen, was echte Kunst ist. So eröffnete das Regime am 19. Juli 1937 die Ausstellung „Entartete Kunst“ und parallel einen Tag zuvor die „Erste große Deutsche Kunstausstellung“. Bis 1941 folgte eine entsprechende Wanderausstellung. Etwa 600 Bilder wurden als entartet gezeigt. Um dieser Behauptung gerecht zu werden, repräsentierte man diese Exponate bewusst schlecht arangiert und zierte sie mit Schmähsprüchen. Angeblich sollen etwas mehr als Zwei Millionen Besucher diese Präsentation besucht haben, das wäre die bis dahin größte Erfolgsgeschichte einer Bilderschau. Besonders makaber für einen so treuen Anhänger wie Emil Nolde muss es für diesen gewesen sein, dass ausgerechnet sein Bild „Leben Christi“ in den Mittelpunkt gestellt wurde.
Verzweifelt schrieb er 1938 seinem einstigen Förderer Joseph Goebbels, wie sehr er sich gegen die Überfremdung der deutschen Kunst einsetze und verwies auf seine treue Parteienmitgliedschaft. Doch wer den Pakt mit dem Teufel eingeht, sollte sich nicht wundern, von diesem oder seinen Gehilfen fallen gelassen zu werden. So wurden in der Folge etwa 1000 Arbeiten Noldes beschlagnahmt, verkauft oder zerstört. An Ausstellungen war nicht mehr zu denken, doch zu allem Überdruss wurde ihm 1941 die Mitgliedschaft der Reichskammer der bildenden Künste entzogen unter dem Vorwand der Unzuverlässigkeit. Damit war es ihm verboten, mit der Kunst sein Geld zu verdienen. Auch bekam er kein Material mehr zugeteilt, auf oder mit dem er hätte malen können. Immerhin, ein totales Malverbot blieb aus.
Konnte Emil Nolde bisher noch in der freien Natur oder vor Modellen malen, zog er sich ab 1938 zunehmend zurück. Er widmete sich seine Serie „Ungemalte Bilder“, die Emil Nolde allerdings bereits um 1928 begonnen hatte. Bis 1945 entstanden etwa 1.300 kleinformatige Bildskizzen in Form von Aquarellen. Um diese Bilder vor der Willkür der Nazis zu schützen, fand Emil Nolde Freunde, die diese Bilder für ihn aufbewahrten. Manchmal soll er auch mit einem Bild sein Essen bezahlt haben. Konnte er bisher Auge in Auge mit seinen Motiven malen, entstanden nun Bilder aus seinem inneren Blickwinkel. So veränderte sich der bislang nach außen engagierte Künstler in einen sich völlig zurückziehenden und leiser werdenden Maler. Einige der in dieser Zeit entstandenen Bilder verwandelte Emil Nolde später in Ölgemälde. Um alle seine „ungemalten“ Bilder umzusetzen, das wusste Emil Nolde, würde seine Zeit nicht reichen.
Hatten die Noldes ihre Winter bisher in der Berliner Wohnung verbracht, so wurde diese während eines Bombenangriffes im Jahr 1944 zerstört. Mit dieser Zerstörung wurden dort etwa 3000 Aquarelle, Grafiken und Zeichnungen, aber auch Werke der berühmten Künstler Paul Klee, Wassily Kandinsky, Oskar Kokoschka, Lyonel Feininger und Ernst Josephson vernichtet. Es stellt sich die Frage, ob Emil Nolde in dieser Wohnung Kunstwerke vor den Nazis versteckte, denn eine so große Anzahl von Bildern hätte doch durchaus beschlagnahmt werden können. Und auch die Werke der genannten Künstler galten den Nazis durchaus als entartet. Im Widerspruch zu seinem Engagement gegen die Verfremdung deutscher Kunst lagerten hier eben auch Werke von Künstlern mit ausländischen oder jüdischen Wurzeln. Waren sie also in der Not vereint. Zeigt es eine innere Zerrissenheit Emil Noldes?
Letzte Jahre des Emil Nolde
Das Ende des Nazi-Regimes im Mai 1945 muss für Emil Nolde wie ein Dammbruch gewesen sein. Ihm war genau das widerfahren, was er anderen Künstlern aktiv zumuten wollte. Ob er es reflektiert hat? Oder hat er nur sein eigenes Leid gesehen? Hat sich seine Überzeugung gewandelt?
Etwas fadenscheinig fühlt sich die Argumentation zur Reinwaschung von der Nazi-Zeit an. Trotz Parteimitgliedschaft und seinen Aktivitäten gegen jüdische Künstler und Kunsthändler, trotz seiner Ideologie beschloss der Entnazifizierungsausschuss im August 1946, Emil Nolde nicht zu ahnden. Alleine, dass das Regime des Dritten Reiches gegen seine Kunst war, wurde als Beleg gesehen, dass Emil Nolde mit den Nazis und seiner Gesinnung gebrochen hatte. Sein öffentliches Bekenntnis und so etwas wie eine Entschuldigung aber fehlt. Vielleicht brauchte das neue Deutschland wieder Helden und Vorzeigepersonen, von denen ja nicht viele verfügbar waren.
In der Öffentlichkeit stand Emil Nolde nach dem Krieg jedenfalls lange Jahre als Opfer da. Und so erhielt er auch gleich die ihm in den letzten Jahren so vermisste Anerkennung und manche Ehrung. Wird Nolde sich gefragt haben, wo all diese Menschen, die sich nun in seinem Schatten sonnten, während seiner schweren Zeit waren? Wird er sich gefragt haben, warum sie sich nicht früher öffentlich für ihn eingesetzt haben? Oder war er einfach froh, wieder in der Öffentlichkeit anerkannt zu sein ?
Im Jahr 1946 verstarb seine Frau, sie fand ihre letzte Ruhe im Garten. Emil Nolde verwandelte dazu den Erdbunker in eine Gruft, in er auch er heute neben seiner ersten Frau ruht. Zwei Jahre später heiratete Emil Nolde die 27-jährige Jolanthe Erdmann, Tochter des Pianisten Eduard Erdmann. Seine Zeit widmete er nun wieder offensiv der Malerei. Bis ins Jahr 1951 entstanden etwa 100 Gemälde und bis zu seinem Tod unzählige Aquarelle.
Endlich konnte Emil Nolde wieder öffentlich ausstellen, so war die Ausstellung auf der documenta in Kassel im Jahr 1955 die letzte Präsentation, die er erleben durfte. Denn am 13. April 1956 verstarb er in seinem Haus in Seebüll. Nun war Emil Nolde wieder mit seiner ersten Frau vereint.
Seine zweite Frau verstarb am 13. Juni 2010 in Heidelberg.
Über seinen Tod hinaus wurden seine Bilder weiterhin auf den nächsten beiden documenta in den Jahren 1959 und 1964 gezeigt.
Sein Lebenswerk wird seit Emil Noldes Tod gemäß seines Testamentes von der Nolde-Stiftung verwaltet und gepflegt, dabei geht es längst nicht nur um das Zeigen seiner Bilder. Vielmehr um die Annäherung an einen Menschen, der malte. Lange aber hatte diese Stiftung versucht, die Aura um Nolde rein zu halten. Bewusst oder unbewusst wurden Details über seine Gesinnung und Nazi-Zugehörigkeit verschwiegen.
Es passte nicht ins Bild eines Künstlers, der so beliebt ist, dass selbst Werke von ihm im Kanzleramt hängen. Und so stellt sich auch die Frage, in wie weit man Schulen und Institutionen nach Emil Nolde benennen kann, wo sich andere Schulen oder Einrichtungen an Widerstandskämpfern wie die Geschwister Scholl orientieren, die von dem Regime, welches Nolde unterstützte, in ihren jungen Jahren unschuldig und brutal gefoltert und ermordet wurden.
Im Jahr 2013 begann die Stiftung unter einer neuen Leitung, sich auch mit diesem Kapitel Noldes zu beschäftigen und auch die dunkle Seite Noldes sichtbar zu machen. Spannend dürfte die Frage sein, inwieweit sich Noldes Bilder in der Entwicklung seiner Gesinnung, seiner Begegnungen und seiner Verfolgung auswirkten, ebenso, wie er nach dem Kriege über sich selbst dachte.
Interessant dürfte auch die Frage sein, wie ein Mensch, der das Leben Christi malte, pauschal gegen die Juden sein konnte, wo Jesus nun selbst Jude war.
Auch gab es in der Nähe, bei Padborg, ein Internierungslager für dänische Widerstandskämpfer und unliebsames Volk. Wusste er davon? Wie ist er gedanklich damit umgegangen. Hatte er Unrecht verdrängt?
Unter dem neutestamentlichen Bibelwort „wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein“ muss diese Auseinandersetzung nicht zwangsläufig zu einer Ächtung der Arbeiten Noldes führen, vielmehr im Idealfall zu einer Selbstreflektion und zu einem Lernprozess an sich selbst in der aktuellen gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und religiösen Entwicklung.
Herzlichen Dank an die Nolde-Stiftung für die sehr hilfreiche Unterstützung bei der Recherche!
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