Bei schlechtem Wetter fotografieren – so schön kann die Realität sein

Schaut man sich zahlreiche Foren rund um das Reisen an, blättert man durch die Reisekataloge und Websites der Tourismusvereine, dann begegnen einem die schönsten Sonnenuntergänge und sonniger Himmel in allen erdenklich strahlenden Blautönen. Nicht wenige Reiseblogs bearbeiten dazu sogar Bilder, um ein Schlechtwetterfoto in ein sonniges Bild zu verwandeln.

Wie langweilig ist das. Getreu dem Motto „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“ zeigen wir, warum es sich lohnt, auch bei Nieselregeln und Nebel oder langweilig grauem Himmel rauszugehen und zu fotografieren.

Überwiegend bewegen wir uns in Gefilden, in denen das Wetter alle Facetten bietet. Je nördlicher wir unterwegs sind, je unbeständiger wird das Wetter. Entlang der Barentssee kann es selbst im Sommer zu winterlichen Wetterkapriolen kommen. Das alles ist kein Grund, sich zu verkriechen oder die Kamera in der Tasche zu lassen. Im Gegenteil: Gelungene Schlechtwetter-Fotos können authentisch den Charakter einer Region wiedergeben.

Licht ohne Schatten: Grau und trocken

Schönwetter-Fotos kann jeder, möchte man zumindest meinen. Aber zahlreiche Motive wirken erst richtig, wenn das Wetter trüb oder gar nass ist.  Ist der Himmel bedeckt, verschwinden die Schatten und die Farben werden gedämpft.

Jetzt ist die Zeit für die Motive, die vielleicht nicht sofort ins Auge fallen. Umgebungen, die schon „von Natur aus“ farbreduziert sind, werden in ihrer Tristesse durch graues Wetter wunderbar betont.

Bei solchen Bildern bleibt oft der Blick länger haften als bei den üblichen verdächtigen Sommer-Sonnen-Blauer-Himmel-Fotos. 

Aber auch hier gibt es ein paar Dinge zu beachten, um die beste Wirkung zu erzielen.

Der Himmel sollte strukturierte Wolken haben. Natürlich wirken sie wie ein großer Diffusor, dennoch wird auch der Diffuser von oben durch die Sonne beleuchtet. So kann man gut die Zeit zwischen Vor- und Nachmittag für solche Aufnahmen nutzen. Belichtet wird auf die mittleren Bereiche.

Die Umgebung sollte genug Kontraste bieten. Also unterschiedliche Helligkeiten und idealerweise horizontale wie vertikale Linien aufweisen.  

Ist der Himmel ohne sichtbare Wolken einheitlich grau, so sollte man ggf. das gewählte Motiv um ein bis zwei Blenden überbelichten. In der Analogfotografie ist das weniger ein Problem, da man in der Regel auf die dunkleren Bereiche belichten kann. In der Digitalfotografie muss man darauf achten, dass keine weißen Flecken entstehen, in denen keine Bildinformation mehr erhalten ist. Im Gegensatz zum Film belichtet man bei der digitalen Fotografie auf die hellen Flächen. So kann man in der Nachbearbeitung die Helligkeit so weit erhöhen, wie  es für die Bildwirkung nötig ist. Motive mit weniger aber kräftiger Struktur sind hier hilfreich.

Saubere Luft: Grau und feucht

Reine Luft und klare Farben, ganz ohne Schatten, ergeben sich kurz nach einem Regenschauer. Staub ist aus der Luft und von den Gegenständen gewaschen, Grün bekommt durch das Wasser neue Kraft, Farben der abgebildeten Motive werden kräftig. Nasse Füße sollte man hinnehmen, aber Kopf und Kleidung und vor allem die Kamera bleiben trocken.

Auf den Wegen und Plätzen haben sich Pfützen gebildet, in denen sich ein Teil der Landschaft spiegelt. Hier bieten sich bodennahe Aufnahmen mit einem Weitwinkelobjektiv an. 

Bei solchem Wetter kann man hervorragend in engen Straßenschluchten oder Schluchten fotografieren, die bei Sonneneinstrahlung sonst in harten Schatten versinken würden

Undurchsichtig: Nieselgrau

Nieselregen ist eigentlich ziemlich toll. Denn man hat eine Mischung aus Nebel und Regen. In Sekunden und Minuten zeigt sich die Landschaft in neuen Facetten.

Der Regen ist so fein, dass er für Kamera und Objektiv noch auszuhalten und auf den Bildern als Regen nicht sichtbar ist. Gerade über Wiesen und Seen liegen die Schwaden dicht über den Boden und geben darüber wieder Bereiche für den Blick frei. Farben werden wunderbar gedämpft und verleihen dem Bild eine einzigartige Ruhe und Melancholie.  Starke Windböen sind bei solcher Witterung selten zu erwarten, entsprechend bleibt die Wasseroberfläche ruhig.

Man kann beobachten und abwarten, wie sich die Landschaft in Zeitlupentempo verändert. So wird vorhersehbar, welche Bildelemente sichtbar werden und welche im Schleier verschwinden.  Zum Abschluss wird die Kamera trocken gerieben. 

Da die Tonwerte durchgehend im mittleren Bereich liegen, kann man sich auf die Belichtungsautomatik verlassen. Die Aufnahmen sollten an den hellsten Stellen grau bleiben, um genug Zeichnung der Schwaden zu lassen. Auf keinen Fall sollte man den Kontrast künstlich erhöhen. Solche Aufnahmen leben von sehr zurückhaltenden Kontrasten.

Begrenzter Horizont: Grau und Regen

Wenn der Regen prasselt, geht das meist mit kräftigem Wind einher. In der Regel gibt es am nahen Horizont eine durchgehende Wolkenwand. Der eigentlich sichtbare Bereich ist klar begrenzt und löst sich im nahen Hintergrund weich auf.

Die klar abgebildeten Bereiche haben spiegelnde und reflektierende Oberflächen. Dabei werden die vorhandenen Farben zwar nicht leuchtend, aber kräftig wiedergegeben.

Bei der Belichtung kann man auf die mittleren Tonwerte belichten. Vorsicht beim Fotografieren: Der Boden, gerade auf Holz, Stein oder im Uferbereich kann extrem rutschig sein.

Schlechtes Wetter ist auch nur Einstellungssache

Das angeblich schlechte Wetter hat sehr viele Reize. Wer drinnen bleibt, verpasst traumhafte und authentische Motive. 

Dabei darf der Bildaufbau nicht vernachlässigt werden. Gerade bei Dunst, Nieselregen und Nebel müssen die bildwichtigen Teile im Vordergrund sein, um dem Bild eine gewisse Tiefe zu geben.

Welche Brennweite ich dabei nutze, hat durchaus Einfluss auf den Kontrast. Entfernte Motive können über ein Teleobjektiv wunderbar kontrastarm herausgestellt werden. Je geringer die Brennweite wird, umso kräftiger wird der Kontrast.

Um in solchen Situationen die besten Ergebnisse zu erzielen, sollte man an einem guten Objektiv nicht sparen. Und da kann man hin und her reden- ein wirklich gutes Objektiv hat seinen Preis. Denn es nützt weder der beste Film noch der feinste Sensor etwas, wenn die Linse davor nicht ebenfalls das  Bild fein auflöst. Gerade bei Nebel oder Regen zeigen sich die Stärken oder Schwächen eines Objektivs. 

Das Gleiche gilt in der analogen Fotografie auch für den Film. Er sollte fein auflösen, um die Wolken und Schwaden fein zu nuancieren. 

Filme mit hohen Kontrasten, aber auch Kameras, die automatisch ein Bild schärfen, machen aus solchen Motiven flaue, langweilige Bilder. Vor allem bei Digitalkameras in Kombination mit preiswerten Kit-Objektiven ist die Gefahr hoch, dass die Kameraautomatik die Unzulänglichkeiten intern das Bild „verbessern“ und solche Bilder unbrauchbar machen.

Um die Kamera und Objektive zu schonen, sofern sie nicht vor Spritzwasser geschützt sind, kann man einen Schirm nutzen oder eine einfache Plastiktüte. Es lohnt sich aber durchaus, in einen Regenschutz oder gar Unterwasserschutz zu investieren (z.B. Ewa Marine) oder für gelegentliche Aufnahmen bei klarem Wetter eine analoge Einwegkamera zu nehmen. Bei nassem Wetter hat man am besten den Wind im Rücken, damit die Tropfen nicht auf die Linse kommen.

Facebook
Twitter
LinkedIn
Pinterest
Reddit
Telegram
WhatsApp
Print

Schreibe uns Deine Meinung