Landschaftsroute Ryfylke – Im Saudafjell

Wer die traumhafte Landschaftsroute Ryflyke von Süden nach Norden bereist und auf der letzten Etappe die westliche Variante durch das Saudafjell wählt, wird sich irgendwann fragen, ob die Welt hier zu Ende ist. Oder er wird sich fragen, warum man gerade hier durch das Saudafjell eine Straße gebaut hat. Wobei das Wort „Straße“ doch ein wenig übertrieben ist. Starke Nerven und unbedingte Hoffnung auf ausbleibenden Gegenverkehr braucht.

Der dramatischste Teil der Landstraße 520 führt durch das Saudafjell und liegt zwischen den alten Zinkgruben Allmannajuvet und dem modernen Skiort Håra bei Røldal. Und so sind es auch die Allmannajuvet, diese alten Zinkgruben, die vermutlich für den Bau dieser spektakulären Straßenverbindung verantwortlich sind. Denn, man suchte eine möglichst zügige Verbindung in den Nordosten.

Die alten Zinkgruben Allmannajuvet am Fuße des Saudafjell

Die alten Zinkgruben Allmannajuvet sind heute Geschichte und die wird hier auch gelebt. Angelehnt an die Grubenarchitektur sind Toiletten, Café und Ausstellungsräume entstanden, mit einer Führung bietet es sich an, das alte Grubengelände zu besichtigen. Ohne Führung ist der Zugang aus Sicherheitsgründen sehr beschränkt. Mit Helm und Stirnlampe geht es dann in die alten Stollen und für einen Moment bekommen wir das Gefühl eines Bergarbeiters. Nein, nicht wirklich. Denn das Leben der Bergarbeiter im 19. Jahrhundert war brutal und gefährlich.

Ihnen galt es ein Denkmal zu setzen. Und so erteilte die staatliche Straßenverwaltung, Statens Vegvesen, dem international hoch angesehenen Architekten Peter Zumthor im Jahr 2002 den Auftrag, diesen geschundenen Bergarbeitern ein Denkmal in der Schlucht des Allmannajuvet zu setzen. Peter Tumthor nahm die Grubenarchitektur in seinen Entwürfen auf. Es sollte sieben Jahr dauern, bis die Anlage Allmannajuvet fertig gestellt wurde und im Jahr 2009 eröffnet werden konnte. 

Die ziemlich beeindruckende Schlucht Allmannajuvet bietet die richtige Einstimmung auf das folgende, bisweilen über 1000 Meter hohe Saudafjell, welches man übrigens nicht mit dem Saudafell auf Island verwechseln sollte. An der alten Grubenanlage führen steile Steintreppen, schmale Wege und Aussichtspunkte durch diese industriell genutzte Kulturlandschaft der Zinkgrube Allmannajuvet. Es ist schon ziemlich beeindruckend, wie der Architekt Peter Zumthor  diese Idee skiziert hat und wie sie von den Handwerkern umgesetzt wurde. Auf einzigartige Weise verschmelzen im Allmannajuvet Natur und Architektur.

Auf ins Saudafjell

Mit der Besichtigung vom Allmannajuvet bietet sich für uns die Chance, wieder umzukehren. Denn zum einen wissen wir nicht, ob die Strecke durch das Saudafjell überhaupt geöffnet ist, zum anderen haben wir ein Gespür für die durchaus dramatische Wegführung, oft genug dicht entlang am Abgrund. Aber ich habe mich als Kind auch von ausweglosen Situationen durch das Gelände nie abschrecken lassen und so resigniert meine Frau entgegen ihren Vorbehalten und wir setzen die Tour durch das uns unbekannte Saudafjell fort.

Die Straße ins Saudafjell wird deutlich schmaler, die Berge werden schroffer und irgendwann kommen wir an den Punkt, an dem eine Schranke im Winter den Weg durch das Saudafjell versperrt. Doch der Schlagbaum ist offen. Das ist schon ungewöhnlich für diese Zeit. Plötzliche Schneefälle können von jetzt auf gleich wieder zur Straßensperrung führen, dann geht es nur noch mit den Schneemobilen voran. 

Die seitlichen, bis zu vier Meter hohen Stangen am Wegesrand vermitteln ein Gefühl, welche Massen an Schnee im Saudafjell fallen oder verwehen können. Wie oft haben wir in Norwegen schon auf Touren mit Langlaufskiern an diesen Stangen orientiert, die dann nur noch wenige Zentimeter aus dem Schnee hervor guckten. Von den Häusern schauen dann oft nur noch die Kamine aus den weißen weiten Ebenen. Und so verwundert es wenig, dass immer mehr Einheimische das Saudafjell als ihr Langlaufgebiet entdecken. Sie haben sich hier mit ihren kleineren und größeren Berghütten gut eingrichtet und genießen die Abgeschiedenheit der Landschaft.

Bis April wird man hier im Saudafjell auf durchgehend geschlossene Schneedecken treffen und auf die zugefrorenen Seen. Aber man sollte sich im Saudafjell auskennen, denn in diesem wilden Gebirge kann es hinter einer Anhöhe von jetzt auf gleich in die Tiefe gehen.

Dass man das ja sehen könnte, ist eine trügerische Meinung, auch beim Wandern. Denn in diesem Gebiet kann in Minuten eine dichte Nebelwand aufziehen, auch dann muss man sich Schritt für Schritt orientieren können. Auch Ende Mai wird der Schnee im Saudafjell nicht plötzlich weg. Kontinuierlich taut er und sucht sich als Schmelzwasser seinen Weg über kleinere Tümpel und Seen ins Saudatal.  Hier wird das Wasser zur Stromerzeugung gestaut. Über den Staudamm im Saudafjell führt die schmale Straße, die man zunächst mit einer Brücke verwechseln könnte. Aber gerade im Umfeld des Staudamms, auf der einen Seite die hohen felsigen Wände, auf der anderen Seite die tiefe Schlucht, fühlen wir uns wie in einer nicht enden wollenden Steinwüste.

Bäume haben wir schon lange nicht mehr gesehen, denn im Saudafjell gibt es schlichtweg keine Bäume. Denn im mehr als 1000 Meter hohen Saudafjell, in zwischen Herbst und Frühling ganz fürchterliche Stürme toben können, hätten sie auf dem felsigen Grund gar keinen Halt. Allerdings beginnt in Norwegen, und das nicht nur im Saudafjell, die Baumgrenze recht früh. Auf den lang gewogenen Gewässern treiben noch die Eisschollen, mal einsam, mal noch fest miteinander verbunden. Türkis schimmert darunter das Schmelzwasser.

Immer wieder sind wir dankbar, hier mit dem VW Bus im Saudafjell unterwegs zu sein, mit einem größeren Fahrzeug wird es auf der schmalen Straße bei Gegenverkehr durchaus eng. Dann helfen nur die Ausweichbuchten. Wohl dem, der dann in Fahrtrichtung von Süd nach Nord unterwegs ist, die Angst eines möglichen Absturzes währe überproportional größer. Denn diese Strecke durch das Saudafjell wird auch ganz normal von Lastwagen befahren. Und LKW-Fahrer in Skandinavien sind berüchtigt und oft aufgrund ihrer aggressiven Fahrweise verhasst. 

Und so sind wir erleichtert, als wir den modernen und expandierenden Skiort Røldal erblicken. Noch liegt er viele hundert Meter unter uns und so gleicht unsere Abfahrt über die zahlreichen Serpentinen einem Landeanflug auf den Zielort. Am liebsten würde man in jeder Kurve halten und wieder Bilder machen, doch auch die letzte Etappe des Saudafjell bleibt eng. Eines aber wissen wir schon jetzt: Am Saudafjell haben wir uns bei allem Herzklopfen noch nicht satt gesehen.

Schreibe uns Deine Meinung