Ulefoss, die unentdeckte Industriestadt
Norwegenurlaubern wird dieser Name wenig bekannt sein, Industriestädte stehen ja nicht gerade auf der Agenda eines Nordlandtripps. Und doch, Ulefoss hat alles, was man zum Wohlfühlen braucht: eine zentrale Lage in der berühmten Telemark, idustrielle Kultur, eine überschaubare und für unsere Verhältnisse dörfliche Größe direkt am historischen Telemark-Kanal liegend. Wir haben Ulefoss in einer Jahreszeit besucht, in der sich kein Urlauber hier her verirrt.
Der kleine Obsthof von Oyster Anderson nahe dem beschaulichen Industriestandort Ulefoss ist für fast drei Wochen im März unser Refugium, von hier aus starten wir zu Spaziergängen und kleinen Wanderungen. Und natürlich zu Ausflügen in die Telemark bis hin zur Küste. Noch liegt Schnee, die Zuwege sind vereist, der Himmel mal grau und mal strahlend blau. Die Spikes der Autoreifen rascheln gleichmütig über die Straßen, am Supermarkt treffen sich der Sprengmeister aus dem Straßenbau, die kleine Familie aus dem Ort und der Fußballspieler vom gegenüberliegenden beheizten Sportplatz.
Der Bettler am Eingang des Geschäftes wird höflich und bestimmt weggeschickt, wenige Kleinwagen parken hier zwischen allradgetriebenen mittleren und großen PKW. Mit unserem Bulli steht hier das einzige Auto mit auswärtigem Kennzeichen, die frisch verschneite Landesstraße wird gleich von vier Räumfahrzeugen frei gemacht.
Ulefoss entspannt
Alles bewegt sich ein wenig langsamer, entspannter. Die Tage werden jetzt wieder länger als bei uns in Deutschland und die Sonne taucht die Landschaft in eine einzigartige Farbe. Zwei oder drei Boote haben am gegenüberliegenden Norsjö überwintert, das Touristenbüro bleibt bis Anfang Juni geschlossen.
In Ulefoss steht auf einer Anhöhe eine steinerne Kirche, etwa zwei Kilometer außerhalb eine Kirchenruine, die aufwendig gepflegt wird. Von hier aus bietet sich ein einzigartiger und traumhafter Blick über die hügelige Landschaft des Zentralortes der Komune Nome mit den verstreuten kleinen Höfen. Neben Obst an den Südhängen wird hier vor allem Getreide angebaut, hin und wieder auch Weihnachtsbäume. Zahlreiche Setzlinge kommen aus Dithmarschen mit seinen riesigen Baumschulen. Denn hier oben in der weiten Umgebung von Ulefoss sind die Sommer kürzer und entsprechend die Wachstumsphase der Bäume länger.
Auf einer kleinen Halbinsel am See von Ulefoss gelegen wartet die Romnes-Kirche auf uns. Sie entstand Ende des 11. Jahrhunderts und öffnet heute während der Sommermonate oder für besondere Anlässe. Die Kirche ist dem heiligen Laurentius gewidmet. Heute steht der Kirchturm anstelle eines Vorraumes, in dem früher Frauen stehen mussten, die gerade ein Kind bekommen hatten und den eigentlichen Gottesdienstraum erst wieder betreten durften, wenn sie für „rein“ erklärt wurden.
Der heutige Kirchenraum wurde im Zuge der Reformation im Jahr 1536 umgestaltet. Er wurde durch Malereien am Altar, Taufbecken oder Kandelaber durch private Spenden zwischen 1700 und 1780 ergänzt.
Während der Besetzung Norwegens durch Nazi-Deutschland versteckten die Wiederstandskämpfer ihre Waffen und Sprengstoffe im Dach über der Eingangstür. Nun ist es friedlich und entspannt hier, aber vielleicht sollten wir in diesen Zeiten wieder lernen, die Bedeutung einer solchen Kirche hervorzuholen und den Besuch einer solchen als Innere Einkehr denn als Besichtigung zu verstehen. Wir werden bei solchen Besuchen immer ganz andächtig und leise.
Von der Kirche aus lohnt sich der kurze Spaziergang an die kleine Bucht am See. Der Blick wandert über die Bucht nach Ulefoss. Unsere Kleine krabbelt hier zum ersten Mal in ihrem Leben auf den bleichen Gras mit seinen Schnee- und Eisresten. Weit reicht der Blick über den Norsjö, wir genießen die Ruhe und das Sein und die Farben, in die das Sonnenlicht die Landschaft taucht.
Nun widmen wir uns aber dem Teil, der Ulefoss groß gemacht hat und dazu geht es zurück zum Namensgeber des Ortes. Die Endung „-foss“ weißt auf einen Wasserfall hin, den gab es tatsächlichlich hier. Heute ist ein schmaler Teil dieses Wasserfalles mit einer historischen handbetriebenen Schleuse bebaut, die Teil des Telemarkkanals ist. Der breite Teil des Flusses jedoch steht dem Wasserkraftwerk Ulefoss zur Verfügung, der schon sehr früh die Industriealisierung der Gemeinde unterstützte. Unterhalb steht die legendäre Eisenfabrik Ulefoss, noch heute einer der wichtigen Arbeitgeber von Ulefoss. In Dänemark, Schweden und Norwegen weisen Kanalisationsdeckel auf diese Produktuion hin, in vielen Haushalten stehen gußeiserne und zum Teil wunderbar verzierte Kamine, made in Ulefoss.
Ein winterlicher Spaziergang durch den Ort schließt unsere erste Endeckung von Ulefoss ab. Wir freuen uns auf den Sommer, um diese kleine Industriegemeinde Ulefoss von einer ganz anderen Seite kennen zu lernen. Dann legen hier die historischen Schiffe des Telemarkkanal am Startpunkt in Ulefoss an und ab und ziehen Schaulustige zu den Schleusen. Wir schauen uns die Umgebung mit dem Lifjell und den kleinen Küstenstädchen an.
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