Es gibt Orte, die haben eine Geschichte. So schön der Ort ist und so verzaubernd, gibt es oft genug ein trauriges Ereignis, welches Betroffene mit ihm verbinden. Wir haben einen solchen besucht und sind auf folgende Geschichte gestoßen.

Flugzeugabsturz am Torghatten bei Brønnøysund, 6.Mai 1988

Es ist Freitag, der 6.Mai 1988. In Brønnøysund laufen die Vorbereitungen für das Konfirmations- Wochenende. Draußen, um den Torghatten,  herrscht dichter Nebel und Nieselregen. Um 20.28 Uhr meldet der Offizier: „drei grün“ und meint damit die Kontrollleuchten, die die ausgefahrenen Flugzeugräder in ihrer arretierten Position bestätigen.

Einige Sekunden später informiert sich auf einem Klappsitz gleich neben dem Cockpit sitzend ein Passagier nach der Notfalltechnik, falls die Räder nicht ausgefahren werden könnten.

Auch nach dieser Information verwickelt dieser Passagier den Piloten in ein Gespräch. Dabei müsste sich der Pilot jetzt hoch konzentriert um den Landeanflug auf Brønnøysund kümmern. Doch die Navigation wird durch diese Ablenkung nicht kontrolliert und viele Checks nicht durchgeführt.

Durch das Wetter hat der Pilot keine Sicht und entfernt sich drei Grad vom eigentlichen Kurs. Zudem sinkt das Flugzeug vier Seemeilen zu früh auf 550 Fuß. Darauf ist der Autopilot eingestellt, richtigerweise hätte er aber auf 1.500 Fuß eingestellt sein müssen.

Automatisch fliegt die Machine nun direkt auf den Torghatten zu. Ein Versuch, das Flugzeug im letzten Moment hoch zu ziehen, scheitert. Die Fokker F28 zerschellt am Bergmassiv des Torghatten.

Am Abend auf dem Flughafen von Brønnøysund am 6. Mai 1988

Roger Moe, der Ehemann von Tove, arbeitet als Hausmeister auf dem Hubschrauberstützpunkt  Brønnøysund. Sein Sohn Terje ist bei seiner Schwester untergebracht. Seine Frau arbeitet als Bürokauffrau in der Stadtverwaltung. Um 20.20 Uhr soll sie mit dem Flugzeug landen. Pünktlich geht Roger Moe in die Ankunftshalle.

Doch völlig geschockt und mit Tränen in den Augen kommt ihm ein Mitarbeiter der Fluggesellschaft Widerøe vom Tower entgegen. Irgendwas sei mit dem Flugzeug passiert.

Immer noch hoffend geht Roger Moe an seinen Arbeitsplatz zurück, telefoniert mit Verwandten und versucht Presseanfragen anzunehmen.  Er sieht, wie die Feuerwehr über die Landebahn ausrückt. Aber Roger Moe bekommt die Gewissheit, dass die Linie 710 am Torghatten in Trümmern liegt. Und mit diesem auch seine Frau verunglückt ist. Eigentlich sollte die Maschine weiter nach Bodø fliegen.

Normalerweise kann man von weitem aus den Torghatten sein, doch heute ist er in Neben gehüllt. Ein Anwohner hatte die Fluggeräusche gehört und dann einen lauten Knall. Umgehend wählt er den Notruf.

Der Rettungseinsatz am Torghatten

Schnell ist klar, welche Maschine verunglückt ist. Für die Retter gilt es jetzt, sich einen Überblick zu verschaffen. Wo liegen die Trümmer, wie kommt man an das Wrack, wie viele Verletzte können gerettet werden und wie viele Leichen müssen geborgen werden. Eine Herausforderung für den Rettungsdienst im recht kleinen Brønnøysund.

Imm noch auf Überlebende hoffend sind neben der Feuerwehr auf viele Freiwillige zur Unfallstelle gekommen, um zu helfen. Man lauscht nach dem kleinsten Geräusch, nach dem kleinsten Winseln. Doch es bleibt nur das Knistern der vielen verteilten Brände, die umgehend gelöscht werden. Überall riecht es nach Kerosin. Eine Totenstille legt sich über die Unfallstelle.

Die Retter haben so viel Tod noch nicht gesehen und sie werden diese Bilder für immer in sich tragen. Sie werden zurück kommen und den hoffenden und flehenden Augen der Angehörigen entgegnen müssen, dass es keine Hoffnung mehr gibt.

Schon bald sind die Ermittler an der Unfallstelle. Neben der Suche nach der Ursache müssen sie auch die vielen Leichen identifizieren. So wird neben den Verunglückten das Gepäck geborgen und soweit möglich den Reisenden zugeordnet.  Aber die Retter finden auch ihnen bekannte Gesichter. Denn neun Menschen kommen aus Brønnøysund und hier kennt fast jeder jeden. Es wird nicht leicht sein, in der eigenen Betroffenheit seinen Dienst zu machen und gleichzeitig den Angehörigen die traurige Gewissheit mitteilen zu müssen, dass es kein Wiedersehen mehr geben wird.

Viele der Bediensteten werden noch lange bei jedem Anflug einer Maschine von Widerøe an das Unglück erinnert, viele werden die Laute und die Bilder und den Geruch der Unfallstelle nie vergessen.

Die Aufarbeitung

Roger Moe hat seine Frau verloren und sein Sohn seine Mutter. Viele Schicksale sind in Sekunden besiegelt worden. Doch alleine Roger Moe klagt gegen die Fluggesellschaft, da dieser Unfall durch grobe Fahrlässigkeit entstanden ist. Die Fluggesellschaft Widerøe zeigt sich nicht kooperativ, im Gegenteil. Es wird eingeschüchert, es wird gedroht. Man versucht ihn mit lächerlichen Summen abzuspeisen.

Im Dezember 1993 gibt Roger Moe auf und stimmt einem Vergleich zu. Er bekommt 825.000 NOK (ca 82.000 EUR) an Schmerzensgeld und verzichtet dafür auf die Behauptung, dass der Unfall durch grobe Fahrlässigkeit entstanden ist.  Allerdings, liest man den Abschlussbericht der offiziellen Untersuchung, wird dort diese Behauptung aufrecht erhalten.

Sein Sohn leidet lange am Verlust seiner Mutter, Roger versucht auszugleichen, was er kann. Aber er wird nie die Mutter ersetzen, er kann nicht mehr als ein Vater sein. Er bleibt zuhause und nimmt eine geringe Witwenrente in Anspruch.  Unterstützung in der Versorgung seines Sohnes wird er in den nächsten Jahren von seiner Mutter und seiner Schwiegermutter erhalten.

Roger Moe muss für sich alleine mit dem Unglück zurecht kommen, zu keinem Zeitpunkt wird der psychologisch betreut. Halt findet er im Freundeskreis. Sein Sohn wird später als Koch sein Einkommen haben.

Das schlimmste Flugzeugunglück nach 1972

Am 23.Dezember 1972 kamen bei einem Flugzeugabsturz 16 Kilometer vom damaligen Flughafen Oslo-Fornebu entfernt 40 von 45 Insassen ums Leben. Während des Landeanfluges führte der Flugkapitän ein privates Funkgespräch mit dem Fluglotsen über Weihnachtsbäume und kam dadurch vom Kurs ab.

Die Geschichte zum zweit schlimmsten Flugzeugunglück in der Geschichte Norwegens, am 6. Mai 1988 In Brønnøysund / Torghatten haben wir in den norwegischen Medien und im offiziellen Abschlussbericht der Fluguntersuchung recherchiert. Am Torghatten erinnert eine Gedenktafel an dieses tragische Unglück.

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