Wer mit den Auto, Motorrad oder Fahrrad ans Nordkap gekommen ist, möchte in der Regel schnellstmöglich zurück. Die Zeit drängt und so hat man das Ziel – Nordkap – abgearbeitet. Für uns ist aber das Nordkap zugleich Startpunkt für eine Tour entlang der Küste bis an die russische Grenze und so geht es zunächst entlang am Porsangerfjord.

Die nördlichste Straße der Welt Nordkap + Porsangerfjord

Porsangerfjord, Kodak Ektar, Leice Elmarit M 2.8 28 asph. | © mare.photo

Porsangerfjord, Kodak Ektar, Leice Elmarit M 2.8 28 asph. | © mare.photo

Soeben sind wir aus dem tiefen Tunnel der Nordkap-Insel Magerøya gekommen, der mir immer wieder ein wenig unheimlich ist. Er dürfte mit 6875 Meter Länge und einer Steigung vom neun Prozent bei einer Tiefe von bis zu 212 Meter unter dem Meeresspiegel.  Die Europastraße E 69 zwischen dem Nordkap und Oldejord ist 129 Kilometer lang ist die nördlichsten Straße der Welt mit Anschluss an das internationale Straßensystem. Sie bildet den ersten Teil unserer Route in Richtung Kirkenes.

Froh, wieder das Tageslicht zu erblicken, kennen wir den ersten Teil der Landstraße entlang des Porsangerfjordes ja schon. Und doch halten wir gleich wieder an. Auf der einen Seite die zerklüftete Bergkante aus Schiefergestein, zur Küste hin weitläufiges Grün bis an den Porsangerfjord, an derem gegenüberliegender Küste schneebedeckte Berge eine fast gleichmäßige Linie ziehen. Hier ist der Beginn einer ganz anderen Welt. einer Welt, die man aushalten muss und auch kann, wenn man sich nicht schnell langweilt.

Zeitlos am Porsangerfjord

Die Umgebung lehrt uns in ihrer Gleichmütigkeit, auf multimediale Beschallung zu verzichten, hier sind wir für uns, tauchen ein in diese grandiose Landschaft, geformt im Millionen Jahren, bescheiden, zurückhaltend und doch bleibend präsent. 

Mal laufen kleine und größere Landzungen in den Porsangerfjord, auf denen kleine Siedlungen oder einzelne Häuser zu finden sind, mal führt die Landstraße E 69 direkt am Porsangerfjord entlang. Und der verläuft keineswegs geradeaus. Immer wieder folgt die E 69 kleinen Buchten und kleinen Fischerhäfen, um dann wieder mitten durch die zerklüfteten Schieferreliefs zu führen. 

Allgegenwertig ist auf der gegenüberliegenden Seite des bis zu 23 Kilometer breiten Porsangerfjord, dem wir nun auf seiner 123 Kilometer Länge komplett bis an seine Südspitze bei Laksev folgen und auf der gegenüberliegenden Seite wieder ein Stück nordostwärts begleiten.

Als noch die Fähre von Kåfjord aus zum Nordkap brachte 

Porsangerfjord, Kodak Ektar, Leice Elmarit M 2.8 28 asph. | © mare.photo

Porsangerfjord, Kodak Ektar, Leice Elmarit M 2.8 28 asph. | © mare.photo

Der Nordkaptunnel ist noch recht jung und auf unserer ersten Tour zum Nordkap waren wir mithin die letzten, die für dieses Bauwerk Maut entrichten mussten. Den Tunnel zum Nordkap gibt es erst seit  dem 15.Juni 1999. Dabei war der Fähranleger erst 1977 fertig gestellt worden. Zugleich wurde zu diesem Zweck auch erst die heutige Straße zwischen Repvåg und Kåfjord als Zubringer geschaffen. zuvor kamen die Nordkaptouristen mit dem Postschiff.

Heute ist die kleine Siedlung Kåfjord am gleichnamigen Fjord liegend recht beschaulich, nur in den Sommermonaten nimmt man die Karawane au der Europastraße E 69 wahr. Davon lassen sich beispielsweise die Rentiere aber auch hier nicht beeindrucken, nur zu oft verweilen sie gleichmütig auf der Straße oder rennen in die flachen Ebenen zum Wasser hin.

Die neue Landverbindung zum Nordkap: Repvåg

Repvåg ist die nächste Siedlung entlang der Europastraße E 69 am Porsangerfjord.  Die Menschen haben früh erkannt, dass man mit den Touristen zumindest in den Sommermonaten ins Geschäft kommen kann. Und so bietet ein kleiner Campingplatz und ein einfaches Hotel hier seinen Service für alle an, die vor dem Ziel Nordkap noch einmal verschnaufen wollen. Und das im Anblick eines grandiosen Panoramas, welches der Porsangerfjord wirklich durchgehend bietet. Doch immer noch verdienen die Familien ihr bescheidenes Einkommen mit der durchaus harten Fischerei, über die uns die romantisch aussehenden Kutter und Fischerhäuser gerne hinweg sehen lassen. Aber das Leben hier am Porsangerfjord, es verlangt sehr viel ab.

Die lange Dunkelheit und auch -man glaubt es kaum- die im Sommer unablässige Helligkeit-, die Einsamkeit und das teils auch arme Leben, die karge Landschaft und auch die Touristenströme, deren Menschen sich mehrheitlich gar nicht für die Menschen interessieren, die hier leben. Und doch, fragen wir die Menschen, die hier zuhause sind, sie können sich ein Leben in einer anderen Region gar nicht vorstellen.

Repvåg, das ist so etwas wie ein Kaleidoskop der Finnmark, ein kleiner Einblick in den Mikrokosmos des Nordens.

Smørfjord am Scheideweg – ein Abstecher über eine der schönsten Touristenstraßen Norwegens?

Ein wenig erinnert mich die Route entlang des Porsangerfjord an die Modellbahnzeiten, in der ich kunstvoll die Felsen modellierte und mit leichtem grün betupfte, während es auf der anderen Seite ans Wasser ging. Nur, dass im Gegensatz zur Modellbahn die Trasse, welche mittendurch führt, die berühmte Europastraße E 69 zum Nordkap ist. Hier in der kleinen Siedlung Smørfjord biegen Kenner ab zu einer der schönsten Traumstraßen Norwegens. Hier führt die Kreisstraße 889 bis ins nordwestliche Havøsund.

Zwischen den Orten Kokelv (Kreis Kvalsund) und Havøsund (Kreis Måsøy) liegt die offizielle 66 Kilometer lange nationale Touristenstraße, die zu den schönsten Routen Norwegens gehören soll.

Dort endet sie in dem kleinen Ort als Sackgasse fasst parallel zur Insel Magerøya. Die wenigsten werden diesen Ausflug ins 85 Kilometer entfernte Havøsund nutzen, doch wird man belohnt mit einer fast meditativ anmutenden Umgebung als Gegenpol zur touristisch betriebigen Nordkapinsel Magerøya. 

Hier, in Smørfjord, übersetzt Butterfjord, leben kaum mehr als 50 Menschen, im Sommer kommen noch einmal etwa 50 Rentiersamen hinzu deren Tiere im Weidegebiet Skuothtanjárga Nahrung finden. Wer nach steinzeitlichen Besiedelungsformen sucht, wird genau hier, in Smørfjord, fündig.

Am auffallendsten ist der urige Kiosk mit seinen Postkarten und Souveniers. Die Menschen brauchen solche bescheidenen Einnahmen, wer diesen Kiosk fotografiert, darf also herzlich gerne den Samen dafür etwas zurück geben, wenn er eine Kleinigkeit hier kauft. Spannend dazu ist auch der rekonstruierte Hof der See-Samen oder Meer-Samen. Also der Samen, die vom Fischfang leben. Diese Anlage stammt im Original aus etwa 1900 und wurden von den regionalen Streitkräften wieder hergerichtet.

Olderfjord, rechts oder links

Aber bleiben wir am Porsangerfjord, der uns auf dieser Tour begleitet, etwa sieben Kilometer weiter kommt der wohl wichtigste Abbiegen für echte Nordkap-Touristen, nämlich die kleine Siedlung Olderfjord. Hier treffen die Straßen zum Nordkap, nach Hammerfest / Alta und nach Karasjok aufeinander. Ein kleiner Touristenhotspot mit Laden und schlichten Übernachtungsmöglichkeiten. Ein einfacher Imbiss mit leckerer Hausmannskost und einem weiteren potentiellem Motiv für einen Norwegenkalender.

Hat man erst einmal diesen Punkt vom Süden aus kommend erreicht, gibt es für die meisten eigentlich nur noch Nordkap, Nordkap, Nordkap. Im umgekehrten Sinne ist es bei besagten klassischen Nordkap-Urlaubern der richtiger Abzweig, um schnell wieder die 3000 Kilometer nach hause zu fahren.

Dabei treffen wir genau hier Radfahrer, die schon zwei Monate unterwegs sind genauso wie die Rentier-Samen, die sich hier ihr sommerliches Zubrot verdienen.

Kistrand

 

Indre Billefjord – Einblicke in die Einsamkeit des Nordens

Wir sind immer wieder fasziniert und überrascht, wie viel Leben in dieser rauen und bescheiden anmutenden, von Kalkstein geformten, Landschaft steckt. Eine weitere kleine Siedlung mit etwa 250 Einwohnern, einer Schule, einer Kirche und einem kleinen Supermarkt findet sich am kleinen gleichnamigen Seitenarm des Porsangerfjord in Indre Billefjord.  Von hier aus sind es etwa 30 Kilometer bis zum nächsten Zentralort Lakselv. Indre Billefjord ist kaum mehr als einen halben Kilometer lang und breit, mehr lässt die Umgebung an diesem Ort einfach nicht zu.

Und doch pulsiert das kleine Leben hier am Porsangerfjord, abseits gelegen und nur für die wenigen Reisenden nach Kirkenes vielleicht ein begriff, so sie denn hier anhalten. Zumindest die Kirche sollte ein Fotomotiv wert sein, wie sie in ihrem arktischen weißen Glanz erstrahlt. Diese lange Kapelle hat Platz für 250 Menschen und sie entstand erst im Jahr 1951. 

Solche jungen Baujahre stimmen uns nachdenklich und traurig, wollen wir doch ein wenig am Leben der Menschen hier am Porsangerfjord teilhaben. Und so bleibt uns auch hier die Spurensuche in die Zeit vor dieser Kirche. In der Finnmark, also hier im hohen Norden von Norwegen gibt es diese Zeitrechnung. Sie endet vor dem zweiten Weltkrieg und beginnt erst wieder neu nach der Vertreibung der deutschen Wehrmacht, die hier gehaust und zerstört hat. Die Menschen wurden zwangsevakuiert oder ermordet, es wurde alles nieder gebrannt, was man nur zerstören konnte. Und so bleibt dieses junge Gotteshaus, fertig gestellt sechs Jahre nach der Befreiung von der deutschen Besatzung für uns ein stiller Ort, ein Stück mit zu leiden, nach zu empfinden und beschämt zu sein, als Deutsche hier oben wieder Gast sein zu dürfen. Einmal mehr strahlt die weiße Farbe der Kirche von Indre Billefjord ihren Frieden mit der Vergangenheit aus.

Ein solches Gotteshaus lebt von Menschen und so sind es die Menschen wie die  norwegische Komikerin Trine Lise Olsen, die es von hier aus zu Bekanntheit im ganzen Land gebracht hat. Auch, wenn sie heute in Tromsø ihr Glück gefunden hat, ihre Kinderstube ist hier, genau in dieser Region, in der wir uns nur im Sommer her verirren, ist ein Leben wie ihres geprägt.

Sechs Fischer leben hier einzig von den Meerestieren, daneben gibt es auch Fischfarmen, Milchbetriebe und Schäfereien.

Neben der Kirche ist vor allem das Sportlerheim in Indre Billeford Treffpunkt für die gesellschaftlichen Aktivitäten. Nach dem Krieg, im Jahr 1946, gründete man den Sportverein und baute später das eigene Clubhaus. Heute wird es für Jubiläen, Konfirmationen oder Hochzeiten gemietet. Jedes Jahr veranstalten die Menschen aus Indre Billefjord am 17. Mai ihr kleines und für sie soch so wichtiges Dorffest.

Der nördlichste Kiefernwald der Welt

Suchen wir nach den Superlativen des Nordens, werden wir im nördlichsten Norwegen schnell fündig. Vor allem das Superativ „nördlichste“ trifft immer wieder auf unsere Ver- und Bewunderung. Ein solches Superlativ steht auch für „der nördlichste Kiefernwald der Welt“. Ist das Grund genug, einem Superlativ zu folgen? Aber was braucht man Gründe, wenn man sich gut dabei fühlt und so nehmen wir uns vor, ein wenig Müßiggang in dieser ansonsten fast baumleeren Umgebung einzulegen und schweigend ein Stück faszinierende Landschaft in einer immer wieder einzigartigen Umgebung zu entdecken.

Lakselv

Lakselv liegt sozusagen am Fuße des Porsangerfjord und bildet die Zentralgemeinde für die weitläufige Umgebung.  Das Verwaltungszentrum Lakselv der Kommune Porsanger wirkt in dieser fast menschenleeren Umgebung fast wie eine Stadt und einmal mehr fällt uns auf, dass man sich mit den Ortsbezeichnungen in der Regel an die Namen der örtlichen Gewässer hält.

Hier also, in Lakselv ist die Südspitze des Porsangerfjord, blau schimmert das Wasser des längsten Fjordes in Nordnorwegen dem Norden entgegen.  Lakselv selbst liegt im grünen Tal, welches zu beiden Seiten aber durch die höheren und unbewachsenen Ebenen im Hintergrund wieder abgelöst wird.

Von Lakselv führt ein Weg in den traumhaften und überschaubaren Nationalpark Stabbursdalen mit seinen kleinen wilden Wasserläufen, Hängebrücken und dem tatsächlich nördlichsten Kiefernwald der Welt.

Lakselv hat alles, wovon man in einer solch durch Bescheidenheit geprägten Umgebung nur träumen kann, sogar einen Flughafen. Der Flughafen Lakselv dürfte vornehmlich einer strategischen Idee entsprungen sein, nicht ohne Grund wird er sowohl zivil wie auch militärisch genutzt. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie aufwendig es war, in dieser steinigen Umgebung eine ebene Fläche zu schaffen, die als Start- und Landebahn genutzt werden kann. 

Von Lakself im Süden ab in den Norden nach Osten

Die Südspitze des Porsangerfjord ist recht zerklüftet und doch ist hier die schmalste Stelle noch einen stolzen Kilometer breit. Unterbrochen wird der Porsangerfjord durch eine fast 20 Kilometer lange Landzunge, die in den Porsangerfjord nach Norden hinein reicht. Eine schmale Straße führt auf dieses Eiland, sie endet im Nirgendwo. 

Wir nehmen den Weg nach Kirkenes und fahren dazu die Kreisstraße entlang der Ostseite des Porsangerfjord, auch sie führt unmittelbar am Wasser entlang.

Tanken sollte man in Lakself, denn Standheizung und die endlose Weite in der zerklüfteten Region hin zur Barentssee sind zu unberechenbar, auch wenn in manch entlegenem Fischerort die ein oder andere Zapfsäule wartet. Alleine bis in die nächste Siedlung Børself werden wir nun etwa 50 Kilometer durch die einsame Küstenlandschaft des Porsangerfjord fahren, nehmen wir dann noch den ein oder anderen Abstecher hin zu den entlegenen Siedlungen, kommen schnell 200 bis 300 Kilometer bis zur nächstmöglichen Tankstelle zusammen.

In Børself verlassen wir den Porsangerfjord schweren Herzens, würden wir doch durchaus gerne diesen Meeresarm bis nach Kjæs folgen. Hier endet dann die Möglichkeit, weiter in den Norden vorzubringen, die schmale Straße endet in der kleinen Siedlung Veidnes auf der gegenüberliegenden Seite am Laksefjord. Wer diesen Abstecher plant, muss auf jeden Fall wieder zurück bis nach Børself, um dann nach Kunes abzubiegen, der nächsten Siedlung in Richtung Kirkenes und russischer Grenze mit seinen 60 Einwohnern und einer bemerkenswerten Infrastruktur.

 

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