Als die Deutsche Post ihren Glücksatlas vorstellte, wurde einmal mehr bestätigt, dass sich die meisten glücklichen Menschen in Schleswig-Holstein befinden. Herzlichen Glückwunsch. Nur wenige Tage später aber wurde bei der Veröffentlichung einer Studie der Techniker Krankenkasse deutlich, dass in Schleswig-Holstein bundesweit die meisten Menschen krankheitsbedingt durch Depressionen ausfallen. Wie passt das zusammen?

Schaut man sich die Seite über den echten Norden an, geht es dort in erster Linie um Wirtschaft, um Karriere, um Arbeiten und sich weiterentwicklen über die eigentliche Arbeitszeit hinaus. Schwäche kommt in dieser Präsentation nicht vor. Im echten Norden gibt es nur die Besten und nur Karrriere führt zum persönlichen Erfolg.

Wenig bis gar keinen Augenmerk wird beim echten Norden auf die Familie gerichtet, auch nicht auf die Menschen, die nicht fähig sind, Karriere zu machen und trotzdem gewissenhaft den für die Gesellschaft so wichtigen und doch so wenig wertgeschätzten Berufen nachgehen.

Glaubt man der Seite „der echte Norden“, so gibt es bei uns nur erfolgreiche TOP-Verdiener. Wo aber sind die Mütter und Väter, die gewissenhaft ihr Kind großziehen, wo sind die Alleinerziehenden, die in der Schuldenspirale rasend schnell nach unten gezogen werden und die Statistiken der Creditreform anführen?

Wo sind die Ehrenamtlichen, die sich mit Herz und Seele um die Gesellschaft kümmern? Wo die Frau der Bahnhofsmission, die sich um Hilflose, um Gestrandete bemüht? Wo zeigt die Seite des echten Nordens einen fairen Umgang mit den Menschen, die täglich für Mindestlohn in der Pflege arbeiten, während sich die Pflegeheimbetreiber Millionen an Gewinnen in die Tasche stopfen? Wo wird beschrieben, dass die vielen Menschen, die im so erfolgreichen Tourismus arbeiten, so wenig verdienen? Wo wird der Wachmann gezeigt, der den Reichen für einen Hungerlohn deren Reichtum schützt, die Polizisten Überstunden vor sich herschieben, die sie kaum einmal abbauen können? Wo setzt man sich damit auseinander, dass am Muttertag die meisten Mütter arbeiten müssen, damit die Väter shoppen können?

Wo beschreibt der echte Norden, wie Alleinunternehmer in Wirklichkeit oft als Scheinselbstständige ausgenutzt werden und zudem nun neben einer zwanghaften und teuren Krankenversicherung demnächst Rentenbeiträge in gleicher Höhe entrichten sollen, sodass die Gesamtsumme fast ihr erwirtschaftetes Netto auffrisst?

Wo kann sich der echte Norden rühmen, Familien bei der glücklichen Ankunft eines Kindes vom Formularwust zu befreien?

Ich wünsche mir keinen echten Norden, sondern ein Schleswig-Holstein, das sich statt eines inhaltsleeren Slogans ein Thema sucht und erfolgreich abarbeitet. Visionär.Fair. Schleswig-Holstein. das wäre für mich ein Slogan, der kombiniert mit echtem und ehrlichem Engagement dem Land ein Thema gibt statt eine Plattitüde.

Die Menschen in Schleswig-Holstein, die haben es verdient, von der Politik ernst genommen und respektvoll behandelt zu werden. Und sie würden sich lieber einem Thema in Schleswig-Holstein widmen, was Herz und Seele hat anstatt mit einer seelenlosen und falschen Behauptung, die so kalt und tot ist wie die Außenhaut eines U-Bootes. Eine gesunde und faire Gesellschaft ist dann erst der Garant für eine erfolgreiche und nachhaltige Wirtschaft, von der alle profitieren.

Aber solange unser ehemaliger Ministerpräsident in der Öffentlichkeit sich lieber mit dem (wegen Untreuevorwürfen entlassenen) Geschäftsführer von Möbel Kraft umarmt und sich über die Ansiedlungsgegner lustig macht, anstatt einem HEMPELS-Verkäufer zu einer Karriere zu verhelfen, hoffe ich alleine auf die Seele der Menschen, die das Land seit Jahrhunderten prägen und lieben. Vielleicht gibt es ja irgendwo hinter dem Deich einen unentdeckten, fairen Visionär, der sich für die Seele der Menschen stark macht anstatt für seelentoten allein finanzbewerteten Erfolg.

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