Der Mord am Grenzgendarm Oberst Paludan-Müller
Oberst Paludan-Müller ist den Menschen in Gråsten (Gravenstein) in Erinnerung geblieben genauso wie seine brutale Ermordung. Heute hat ihm Gråsten an der Flensburger Förde ein Denkmal gesetzt.
Als wir den wunderschönen Ort Gråsten bei Egesund für unsere Reportage besuchen, entdecken wir in Zusammenhang mit dem Gendarmstien das ein oder andere Denkmal. Dieses Denkmal an der Zufahrt zum Schloss Gråsten erinnert an den Oberst Paludan-Müller und wir haben uns auf die Spurensuche begeben um zu erfahren, was es mit diesem Denkmal auf sich hat. Viele Menschen in Gråsten wissen in groben Zügen um diese Tragödie.
Sven Bartholin Paludan-Müller kam am 30. Oktober 1885 als Sohn eines Pastors zur Welt. Er absolvierte eine Ausbildung beim Militär und stiegt dort bis zum Offizier auf. Doch als Dänemark im Jahr 1922 ein neues Verteidigungsgesetz erließ, wurden viele Offiziere überflüssig. Das traf auch ihn. So ging er auf die Insel Seeland nach Tølløse, westlich von Kopenhagen. Dort arbeitete er in der königlichen Bbliothek und war verantwortlich für die dortige Karten- und Bildersammlung. In dieser Zeit übersetzte und veröffentlichte er einige Gedichte aus dem englischen Sprachraum.
Im Jahr 1933 bewarb er sich erfolgreich um die Position des stellvertretenden Befehlshabers der Grenzgendarmerie. Er wurde zum Oberstleutnant befördert und bereits ein Jahr später, 1934, Oberst und Leiter der Einheit.
Ihm lag Dänemark als eigenständige Nation sehr am Herzen, er war sehr ehrgeizig und durchsetzungsstark. Auch nahm er kein Blatt vor den Mund und hatte eine klare, eigene Meinung. Das bekamen auch die Italiener zu spüren, als er deren Angriff auf Aserbaidschan im Jahr 1935 in einem Artikel scharf verurteilte. Der italienische Botschafter wurde bei der dänischen Regierung vorstellig und der Oberst Paludan-Müller wurde vorübergehend beurlaubt. Das kostete ihn ein halbes Monatsgehalt.
Nun stand der Oberst in einem Konflikt unter Beobachtung der Entwicklung des südlichen Nacbarlandes. In Dänemark betrachtete man Hitler mit Argwohn. Die Grenzgendamerie gehörte zwar zum Militär, doch das Finanzministerium hatte das Sagen. Und da gab es durchaus kontroverse Vorstellungen über diese Einheit innerhalb der zuständigen Ministerien. Während das Finanzminsiterium im Krisenfall eine Unterstützung der Polizei durch die Grenzgendarmen wünschte, stellte sich das Verteidigungsministerium eine Unterstützung im Falle eines Angriffs der Deutschen an der Grenze vor und wollte die Einheit entsprechend militärisch nachrüsten. Doch der Oberst schätzte die Situation realistisch ein und wusste, dass man keinen ernsthaften Widerstand hätte leisten können.
Am 09. April 1940 besetzten dann in der Tat die Nazis ihr nördliches Nachbarland, was der Oberst auch durchaus als persönlichen Angriff wertete und bereit war, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Deutschen zu vertreiben.
Er machte aus seiner Ablehnung gegen die Besatzer auch keinen Hehl. So war es kaum verwunderlich, dass die Gestapo am 26. Mai 1944 in einer Polizeiaktion 19 führende Polizeichefs festnahmen und so auch vor seiner Tür stand. Sie donnerten an seine Tür, der Serviced Residence am Slottbakken in Gråsten. Oberst Paludan-Müller wusste sofort, was dies zu bedeuten hatte. Selbstbewusst meinte er durch die geschlossene Tür: „Wenn Sie mit mir sprechen wollen, lasse ich mich um 10.00 Uhr in mein Büro bringen. Auf jeden, der unbefugt mein Haus betritt, werde ich schießen“.
Die Tür wurde aufgesprengt, der erste eindringende Soldat wurde von einer Salve aus Paludan-Müllers Waffe getötet. Nun war der Oberst nicht alleine im Haus, umgehend schickte er seine Frau, die gemeinsame kleine Tochter und die Haushaltshilfe in den Keller. Er selbst eilte die Treppe hinauf und verbarrikadierte sich auf dem Dachboden. Von hier aus schoss er auf die Besatzer und reagierte damit auf ihre Maschinengewehrsalven.
Schnell machte die Schießerei in Gråsten die Runde und der Polizeichef AM Bjerre eilte zum neben dem Oberst wohnenden Pfarrer C. White, zu vermitteln. Der Pfarrer durfte sogar nach Erlaubnis durch die Deutschen das Haus betreten, doch der Oberst weigerte sich, sich zu ergeben. Der Pfarrer konnte aber erreichen, dass Frau, Kind und die Haushaltshilfe aus dem Haus heraus und in Sicherheit zu bringen. Dabei ließ sich Paludan von ihm kniend segnen.
Kaum waren alle aus dem Haus, ging der Kampf mit brutaler Härte weiter. Die Deutschen setzten nun das Haus mit einer Granate in Brand. Die Schießerei dauerte aber noch ganze drei Stunden. Dann wurde es ruhig. Als am anderen Morgen der Brandherd gelöscht und abgekühlt war, entdeckten die Feuerwehrleute den Leichnam von Paludan-Müller.
Der ganze Ort war entsetzt über die eiskalte Brutalität der Besatzer. Die Einwohner setzten überall ihre Flaggen auf Halbmast. Die Geschäfte blieben geschlossen. Die Besatzer wurden nervös. Sie bedrohten den Polizeichef von Gråsten, diesen Streik sofort zu beenden und die Flaggen wieder auszuholen. Doch AM.Bjerre weigerte sich.
Im Totenschein des Oberst vermerkte der den Tod feststellende Arzt: „Tod im Geburtsland“. Paludan-Müller fand seine letzte Ruhe in seinem Geburtsort Snesere auf der Insel Seeland. Denn die Deutschen hatten es verboten, ihn in Sønderjylland beizusetzen. Kurz nach der Befreiung Dänemarks errichteten die Menschen in Gråsten ihrem Oberst eine Gedächtnismauer.
In ganz Sonderjylland hat man den Oberst nie vergessen, er hat seinen Teil dazu beigetragen, den Widerstand im Herzen zu stärken. Allerdings hatte er mit seiner Reaktion auch ungewollt Einfluss auf die Entscheidung der Besatzungsmacht zur Operation Möwe, bei der am 24. September 1944 die gesamte Grenzgendamerie und zahlreiche Polizisten verhaftet und verschleppt wurden.
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