Der echte Norden: „Müll ist das …“
Das Leben zwischen den Meeren ist ein Schönes. In Schleswig-Holstein wie auch in Dänemark. Strände, so weit das Auge reicht, sandig oder grün. Auch für unsere soeben zwei Jahre alt gewordene Tochter gibt es kaum etwas schöneres, einen Tag am Meer zu verbringen, zu toben, zu spielen, zu entdecken. Heute ist es heiß, der feine Sand in Vemingbund mit Seegras gemischt, die Ostsee flach und warm und die Kleine so frei, sich zu bewegen und die Natur gefahrlos zu spüren.
Sie nimmt gerne Dinge in den Mund, kleine Seegraskugeln oder auch mal Sand. Sie will doch nur spielen. Einen Sandkuchen backen, ihren kleinen Eimer mit Wasser zu füllen und wieder auszukippen oder den bunten Lastwagen befüllen. Sie läuft weg, klettert herum und kommt wieder. Ein Stück Plastik hält sie in der Hand und sagt: „Müll ist das….Mülleimer…“ Dann geht sie mit mir an der Hand zum Mülleimer, ich öffne den Deckel und sie wirft ihre neue Entdeckung hinein.
Irgendetwas scheinen wir richtig gemacht zu haben, so schießt es mir durch den Kopf. Mal wieder sind es die Kleinen, die uns zeigen, wie es geht. Die normale Reaktion wäre jetzt: „Kind, lass das liegen, das ist nicht von uns….“. Der Müll anderer geht uns ja nichts an. Wir dürfen das unserem Kind sagen, denn wir sind ja berechtigt und verpflichtet, zu erziehen. Aber eigentlich erzieht mich gerade unsere kleine Tochter. Ganz praktisch und ganz vorbildlich.
Da habe ich mich aufgemacht- am Strand von Vemingbund, den Blick vor meinen Füßen. Oft muss ich mich bücken, um Plastik aufzuheben. Es dauert keine fünf Minuten, dann ist eine Hand voll, wie auf dem Bild oben zu sehen.
Teilweise zersetzte Folie, Bonbonpapier, Reste eines Flaschenverschlusses, Hundekotbeutel, Schaumstoff, ….. Ich gehe nochmals zweimal los und finde genug, mehr als genug dieses verdammten und ekelhaften Plastik, was schon die Kleinen statt Sand in den Mund nehmen, um zu probieren. Über einen Hundehaufen regen wir uns auf, immerhin braucht er etwa zwei Wochen, bis er zu Erde ist. Einen Beutel dafür akzeptieren wir in der Landschaft, obwohl er etwa 400 Jahre benötigt, sich zu zersetzen.
Bis dahin zerfällt er in kleine Teile, sondert den krebserregenden Weichmacher ab. All das wird von den Tieren aufgenommen, deren Magen vielleicht daran verschlingen oder verschließen, dass kein Futter hineinpasst. Vielleicht nehmen auch die Fische die kleinsten Teile auf, speichern diesen Dreck in ihrem Fleisch, bis wir es verzehren und uns krank macht.
Meine Tochter hat es eigentlich vorgemacht, was jeder einzelne von uns tun kann, im ganz Kleinen. Manchmal sollten wir von unseren Kleinsten lernen und es ihnen gleich tun.
Wir können Plastik an unseren Stränden nicht mehr tolerieren, wir können es auch nicht mehr ignorieren. Egal wo, an Nord- und Ostsee liegt diese Pest tonnenweise herum, nach jedem Sturm, nach jedem Strandbesuch wird es mehr. Wir haben schlicht keinen einzigen sauberen Strand mehr. Weltweit.
Lasst uns anfangen, aufzuhören, die Einwegverpackungen und Pfandflaschen aus Plastik zu kaufen, lasst uns anfangen, den Müll, und sei es nur ein Kaugummi oder Bonbonpapier, am Strand mitzunehmen und lasst uns doch einfach mal eine Handvoll Müll am Strand einsammeln und zum Mülleimer bringen. Nur zwei Minuten am Strand von jedem für unsere Kinder. Millionen Händevoll überall auf der Welt, alleine in Schleswig-Holstein oder Dänemark könnten Millionen Kilogramm des unsäglichen Plastikmülls in den Weltmeeren reduzieren.
Vielleicht wäre das eine sinnvolle Alternative zu diesem perspektivlosen Solgan „Der Echte Norden“, wenn auf den Schildern stehen würde:
Schenk uns zwei Minuten. Für unsere Meere.
Vielleicht wäre es ein Programm, Müllsammlern die Kurtaxe zu erlassen, jeder Schulklasse an einem Tag im Jahr Plastik einsammeln und diesen Müll analysieren zu lassen, von der Grundschule bis zum Abitur. Vielleicht wäre es ein echter Gottes-Dienst, eine Predigt am Sonntag Morgen am Meer zu halten und dann Müll einzusammeln, und danach zu beten: „Herr, vergib uns“. Und vielleicht packen wir unser Gemüse an der Frischetheke einfach nicht mehr in die Plastiktüte sondern legen sie lose auf das Band.
Und vielleicht nehmen wir beim nächsten Strandbesuch wieder eine Handvoll Müll und tragen ihn zum Eimer. Bitte, schenke uns dafür nur zwei Deiner Strandminuten. Bitte.
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